Chemnitzer Eingemeindungs-Serie, Teil 7: Mittelbach: "Wir wurden von Anfang an verschaukelt"
Chemnitz - In der neuen TAG24-Serie beschäftigen sich Ortsvorsteher der Ex-Dörfer, die mittlerweile zu Chemnitz gehören, damit, was ihnen die Eingemeindung gebracht hat. Im siebten Teil geht's um den Stadtteil Mittelbach.
Mittelbach ist ein Ortsteil der Kontraste: Die vielbefahrene Bundesstraße 173 durchzieht den lang gestreckten Ort, doch schon wenige Meter entfernt von ihr gackern Hühner, grasen Kühe und reift Getreide. Gunter Fix (58) ist hier seit 2009 Ortsvorsteher und noch viel länger bei der Freien Wählergemeinschaft aktiv.
Das Dorf hatte sich vehement gegen die Eingemeindung gewehrt und wollte stattdessen eine Einheitsgemeinde mit Grüna bilden. "Die geforderten 8000 Einwohner hatten wir locker. Erst im Nachgang haben wir gemerkt, wie wir von Anfang an verschaukelt wurden."
"Da war der Verdruss schon groß", erinnert sich der Orts-Chef an die Zwangseingemeindung, gegen die auch eine Klage nichts ausrichten konnte.
"Mittlerweile haben wir ja einen Oberbürgermeister, der auch mal bei den Ortschaften vorbeischaut. Das hat sich positiv verändert."
Nur noch zwei Bäckereien: Die Nahversorgung ist dürftig
Auch den Anschluss ans Abwassernetz, den Radwegebau, die Sanierung der Grundschule und des Spielplatzes sowie den neuen Bolzplatz, der gerade eingeweiht wurde, verbucht Gunter Fix auf der positiven Seite der Eingemeindung.
"Wenn auch die Wege durch die Ämter oft mühselig sind. Manches würden wir lieber selbst machen. So muss niemand aus der Verwaltung herkommen, um den Straßenzustand zu dokumentieren. Wenn was kaputt ist, melden wir uns schon. Besser wäre es, dann zeitnah eine Reparatur zu veranlassen, ehe der Schaden schlimmer wird."
Dürftig ist die Mittelbacher Nahversorgung, die nur noch aus zwei Bäckereien besteht. Was ebenfalls seit dem Abriss des alten Kulturhauses fehlt, ist ein Ortszentrum, in dem sich Vereine und Bürger treffen können und in dem Veranstaltungen sowie Schulanfangsfeiern möglich sind.
"Wir hoffen, dass der derzeit leer stehende Schulanbau mit der Anschubfinanzierung von 324.000 Euro aus dem Fonds der Kulturhauptstadt zu einem solchen Mittelpunkt werden kann", so Fix.
"In dem Zuge könnte auch das Problem des zweiten Rettungsweges für die Schule aus der Welt geschafft werden, der seit vier Jahren nur als Provisorium herumsteht."
Mittelbachs Historie am Kohlebahnradweg
Tradition wird in Mittelbach gelebt. Der Heimatverein hat sagenhafte 150 Mitglieder, die im Rathaus ein kleines Heimatmuseum eingerichtet haben, Feste organisieren und dafür sorgen, dass die Ortsgeschichte sichtbar bleibt. Wie am viel genutzten Kohlebahnradweg, der von Lugau kommt und bis Wüstenbrand weitergebaut werden soll.
Am ehemaligen Haltepunkt entstand ein Rastplatz für Radfahrer und Skater. Eine Tafel informiert über die ehemalige Bahntrasse, die einst Steinkohle aus dem Revier Lugau-Oelsnitz nach Chemnitz brachte. Ein Foto zeigt den alten Bahnhof, an den auch ein Emailleschild erinnert.
Ebenfalls vom Weg aus zu sehen ist das Schachthaus, das sich im Wappen des Ortes wiederfindet. Es zeugt davon, dass 1860 bis 1863 auch in Mittelbach nach Steinkohle gegraben wurde.
Hier gibt's die anderen Teile der TAG24-Serie zum Nachlesen
Titelfoto: Uwe Meinhold