Chemnitz: So will der Stadtrat diesen Kriminalitäts-Hotspot entschärfen
Chemnitz - Der Chemnitzer Kriminalitäts-Schwerpunkt soll endlich verschwinden: Spätestens im Kulturhauptstadtjahr 2025 will der Stadtrat fraktionsübergreifend den Boulevard "Am Wall" zur Flaniermeile machen.
"Inzwischen haben alle im Rat bemerkt, dass dort regelmäßig Straftaten begangen werden", meint CDU-Ordnungspolitiker Michael Specht (38).
Die Kommunalpolitiker wollen die Aufenthaltsqualität zunächst durch gestalterische Maßnahmen erhöhen: Wasserspiele auf dem Mittelstreifen, bessere Beleuchtung in der Dunkelheit, Biergartenbetrieb hinter der Galeria Roter Turm.
"Dass die Galeria zum Wall hin geöffnet wird, fordern wir Grünen schon lange", sagt die Expertin für Stadtentwicklung Katharina Weyandt (63).
Entscheidend werde die Zukunft nach dem REWE-Auszug sein. Das sieht Jörg Viehweg (52, SPD) ähnlich. "Heckeschneiden allein reicht nicht".
Und das Thema Sicherheit? "Das ist eine Pflichtaufgabe der Stadtverwaltung", erklärt CDU-Stadtrat Michael Specht. "Wir kommen da nicht ran." Mit diesem gestalterischen Vorstoß versuche man nun indirekt, das Problem in den Griff zu bekommen.
"Wenn dort Restaurantgäste im Freien sitzen, werden sich Trinker nicht wohlfühlen", schätzt der 38-Jährige. "Drogendealer werden unter Beobachtung nichts verticken."
Die Finanzierung der Pläne ist bislang allerdings unklar. Der Stadtrat soll das Vorhaben auf der nächsten Sitzung im Oktober billigen.
Warum dauert das so lange?!
Kommentar von Raik Bartnik
Der "Wall" soll spätestens 2025 kein Schandfleck mehr sein. Die Kommunalpolitik hat ihr ehrgeiziges Ziel formuliert. Doch der Weg dahin ist weit.
Bis heute vergeht kaum ein Tag, an dem sich Anlieger nicht über Trinker, Schläger, Belästigungen oder ein stinkendes Parkhaus zwischen Roter Turm und Theaterstraße beschweren. Die Polizei bestätigt wieder eine Zunahme der Straftaten und geht seit diesem Jahr auf Präsenzstreife.
Die Fraktionen ziehen jetzt an einem Strang und treffen bei der Problemlösung schon auf den ersten Widerstand: die Stadtverwaltung. Ordnung und Sicherheit ist eine Pflichtaufgabe, also erledigt das die Verwaltung allein und ohne die Räte. Doch von erledigen ist nicht viel zu merken, der "Wall" ist seit vielen Jahren Kriminalitäts-Hotspot.
Um die Sicherheitslage dort überhaupt wieder ins Gespräch zu bringen, müssen die Räte einen Umweg über die bauliche Umgestaltung nehmen. In der obligatorischen Stellungnahme zum fraktionsübergreifenden Antrag schreibt das Rathaus dann, dass "ein aktives Bewirtschaftung- und Präventionskonzept" nötig ist.
Das hätte die Verwaltung längst erarbeiten und vorlegen können. Dafür ist zwar wieder ein anderes Dezernat zuständig, doch warum versteckt sich Verwaltung immer hinter Zuständigkeiten? Der "Wall" als blühende Flaniermeile: Das ist dann realistisch, wenn alle mit im Boot sitzen.
Titelfoto: Kristin Schmidt, haertelpress