Ämterumzug in den alten Kaufhof: Jetzt spricht der Chemnitzer Oberbürgermeister

Chemnitz - Die Tage für das Verwaltungszentrum im Moritzhof sind gezählt, mehrere Ämter werden für mindestens 15 Jahre in die zweite bis vierte Etage des alten Kaufhofgebäudes ziehen. Die Pläne und der Stadtratsbeschluss haben viel Staub aufgewirbelt. Was sagt der OB zu den Umzugs-Plänen? Redakteur Raik Bartnik (55) hat Sven Schulze (53, SPD) zu einem Exklusiv-Interview getroffen.

OB Sven Schulze (53, SPD) steht auf dem Rathaus-Balkon.  © Foto: Kristin Schmidt

TAG24: Herr Schulze, wie sehen die Konditionen genau aus?

Sven Schulze: Wir halten uns im Gegensatz zu anderen an die gesetzliche Verschwiegenheitspflicht und lassen alle Angebotsbestandteile unter Verschluss. Das ist im Interesse der Stadt und auch derer, die geboten haben. Aber es ist in Summe das wirtschaftlichste Angebot, und so haben die Stadträte auch entschieden.

TAG24: Also gehen Sie mit konkreten Zahlen weiterhin nicht an die Öffentlichkeit?

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Sven Schulze: Es stehen sechs Millionen Euro im Raum, die über die 15 Jahre gerechnet sind. Also reden wir über 400.000 Euro im Jahr. Das ist aber nur eine Facette. Man muss die Nebenkosten betrachten und auch die zusätzlichen Investitionserfordernisse. Wir hatten eine ganze Entscheidungsmatrix: Die Kosten sind mit 40 Prozent eingeflossen, die Erfüllung unserer Anforderungen mit 30, die Umsetzbarkeit mit 20 und die städtebauliche Seite mit zehn Prozent.

TAG24: Wann soll der Mietvertrag mit der Krieger-Gruppe unterschrieben werden?

Sven Schulze: Wir müssen noch Detailabsprachen über die Raumaufteilung führen. Das wird im Laufe des Frühjahrs passieren. Fest steht, dass der Mietvertrag im Moritzhof Mitte 2028 ausläuft, vorher muss der Umzug über die Bühne sein. Herr Krieger als Investor geht davon aus, dass wir im Laufe des Jahres 2027 umziehen können. Zwischen dem Ende der Umbaumaßnahmen im alten Kaufhof und dem Ende des Mietvertrages im Moritzhofes können wir mietfrei rein, sodass wir keine Doppelmiete zahlen.

TAG24: Nun wollten Sie ursprünglich gar keine Ämter in die Galeria holen. Warum haben Sie Ihre Meinung geändert?

Sven Schulze: Als der Kaufhof im letzten Sommer zugemacht hat, hatten viele Ideen, was reinkommt. Das ging bis zum Schauspielhaus oder einer Niners-Spielstätte. Ich habe gesagt, wir werden das sicherlich nicht als Stadt anmieten, um weitere Flächen zu nutzen, die weitere Kosten verursachen. Es war immer klar, dass der Mietvertrag im Moritzhof 2028 ausläuft. Deshalb war schon länger klar, dass wir hier über eine Nachfolgelösung nachdenken müssen.

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Sven Schulze: Wir müssen wegen der allgemeinen Finanzlage in vielen Bereichen sparen

Warum die alte Galeria Kaufhof der beste Standort für das Verwaltungszentrum ist, erklärt OB Sven Schulze.  © Kristin Schmidt
So soll das neue Verwaltungszentrum am Markt aussehen.  © Visualisierung: beier virtual architecture (b-var), Braunschweig

TAG24: Dieser Ämterumzug auf der einen Seite und die geplante Kürzungsliste auf der anderen sind vielen Chemnitzern schwer zu vermitteln ...

Sven Schulze: Wir müssen wegen der allgemeinen Finanzlage in vielen Bereichen sparen. Dazu haben wir Vorschläge, über die der Stadtrat noch entscheiden muss. Andererseits ist das Einmieten von Personal und Ämtern in Gebäuden eine unserer Pflichtaufgaben. Da wir ohnehin erst 2028 Miete im neuen Verwaltungsgebäude bezahlen, gibt es zu den Kürzungen gar keinen direkten Zusammenhang. Diese wirken ja bereits 2026 und 2027.

TAG24: Wo soll denn das Geld herkommen?

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Sven Schulze: Wir bezahlen jetzt auch schon Miete. Es wird so getan, als würden wir gerade versuchen, unsere Ämter auf dem Markt unterzubringen. Vertragliche Verpflichtungen sind eingeplant und auch im Haushalt abgebildet. Es ist aber eine Milchmädchenrechnung zu glauben, dass wir Geld für andere Ausgabemöglichkeiten haben, wenn wir in einen 28-jährigen Oldtimer (Anm. d. Red.: gemeint ist der Moritzhof) einsteigen, der noch viele Investitionsanforderungen hat.

TAG24: Bei manchen ist der Eindruck entstanden, dass alles in sehr großer Eile durchgezogen wurde.

Sven Schulze: Bereits seit 2021 gab es eine sehr umfangreiche Diskussion. Man hat dann entsprechend die Anforderungen normal angepasst, die dann im Oktober zur Ausschreibung gekommen sind. In einem transparenten Verfahren haben wir den Stadträten alle Informationen transparent vorgelegt. Dass eine Fraktion dem alten Stadtrat nicht angehört und quasi diesen Teil der Diskussionen nicht mitbekommen hat, ist vielleicht ein Grund für die Aufregung im Moment. Aber es ist nicht so, dass wir das durchgepeitscht haben.

TAG24: Herr Schulze, vielen Dank für das Gespräch.

Schwer zu verstehen

Ämter aus dem Moritzhof werden in den alten Kaufhof ziehen.  © Uwe Meinhold

Kommentar von Raik Bartnik

Es ist das erste städtische Topthema 2025: der beschlossene Umzug des Verwaltungszentrums aus dem Moritzhof ins größtenteils leer stehende Kaufhof-Gebäude am Markt. In den sozialen Netzwerken kochen die Emotionen teilweise über, auch in der Kommunalpolitik ist das Vorhaben längst nicht unumstritten.

Die Liste der Vorwürfe ist lang: Das Rathaus habe die Krieger-Gruppe als Investor bevorteilt und das Verfahren in größter Eile durchgezogen. Einerseits stehe für den städtischen Haushalt eine 70-Punkte-Streichliste zur Debatte, andererseits genehmige man den Ämtern eines Luxus-Umzugs für mehr Geld als nötig.

Was man dem Stadtoberhaupt sehr positiv anrechnen muss: Sven Schulze hat selbst ein großes Interesse, die Vorgänge zu erklären. Doch all das zu verstehen, erfordert profunde Vorkenntnisse im Verwaltungswesen. Es gibt Pflicht- und freiwillige Aufgaben einer Stadt. Ihre Ämter unterzubringen ist eine Pflichtaufgabe. Die noch zu beschließende Streichliste mit Plänen wie der Schließung des Wildgatters in Oberrabenstein umfasst freiwillige Aufgaben.

Außerdem gibt es ein Vergaberecht, welches das Rathaus verpflichtet, in solchen Fällen Stillschweigen über konkrete Beträge und Personen zu bewahren. Mit Mauscheleien hat das grundsätzlich erst einmal nichts zu tun.

Für uns Steuerzahler, die ja am Ende alles bezahlen, ist es eine sehr unbefriedigende Situation. Wir wissen nicht, wofür wir genau bezahlen und verstehen so manches nicht. Die Grundlagen erklärt bekommen wir nicht. Doch dafür haben wir ja die von uns gewählten Stadträte.

Nach meinem Eindruck hat das Rathaus das Für und Wider des Umzugs durchdacht. Ob die Kosten im Vergleich wirklich wirtschaftlich sind, das wissen nur die Beteiligten.

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