Wilde Nachwende-Jahre im Chemnitzer Kraftwerk: Die Brutstätte des Splash-Festivals
Chemnitz - Das "Splash" ist eines der größten HipHop-Festivals Europas. Bis zu 30.000 Rap-Fans pilgern alljährlich nach Ferropolis in Sachsen-Anhalt, um die Welt-Stars der Szene zu feiern. Kaum zu glauben, dass dieses Mega-Event 1998 in einem kleinen Chemnitzer Jugendclub begann: dem "Kraftwerk" in der Zwickauer Straße.
Mirko Roßner (48) hat es dort mitbegründet - und begleitet das Festival bis heute. Er erzählt, wie der Chemnitzer "Macher"-Geist der Nachwende-Jahre das gewagte Projekt zum Erfolg führte.
"Das 'Kraftwerk' war ein Ort, wo sich junge kreative Menschen gesammelt haben", sagt Mirko Roßner. Er und seine Mitstreiter organisierten dort Elektro-Partys. Am 18. Juli 1998 ließen sie ein kleines HipHop-Event steigen.
Junge Rapper wie Afrob (heute 43) und KC Da Rookee traten dort kurz vor ihrem großen Durchbruch auf. "Es war ausverkauft, die Stimmung sehr euphorisch - ein Riesenerfolg!", erinnert sich Mirko Roßner.
Davon beflügelt plante das "Splash"-Team für das Folgejahr - 1999 - ein Open-Air-Festival am Stausee Oberrabenstein. Die Größen der damaligen HipHop-Szene sollten kommen, von "Absolute Beginner" über "Eins Zwo" bis zu den Chemnitzer Rap-Urgesteinen "Tefla & Jaleel", die eng mit dem Festival verbunden waren.
"Am Anfang haben viele gesagt: Das wird nicht funktionieren", sagt der damalige Mitorganisator. Was dann kam, hatte keiner erwartet: Mehr als 10.000 Rap-Fans aus ganz Deutschland feierten auf dem zweitägigen Festival am Chemnitzer Stausee. "Es war mehr als nur ein Festival", sagt Mirko Roßner. "Es war das Woodstock des HipHop in Deutschland."
Bis zu 30.000 Rap-Fans feierten am Stausee Rabenstein
Von da an war der Stausee Oberrabenstein alljährlicher Treffpunkt der großen Rapper und von 20.000 bis 30.000 Fans. Doch die Jahre 2005 und 2006 fielen fast buchstäblich ins Wasser: "Es hat Hunde und Katzen geregnet", sagt Mirko Roßner. Dadurch blieben die Besucher weg.
Außerdem sorgte die enorme Lautstärke, kombiniert mit dem ein oder anderen Graffiti an den Häusern, für Unmut im sonst so ruhigen Stadtteil Rabenstein. Im Jahr 2007 zog das Festival um nach Sachsen-Anhalt, zuerst auf die Halbinsel Pouch, dann nach Ferropolis, wo es bis heute die Massen anzieht und begeistert.
Dass dieses gewaltige Projekt im kleinen Chemnitzer "Kraftwerk" entstand, ist für Mirko Roßner kein Zufall. "Dort konnte damals jeder hingehen, der einen Traum wahrmachen wollte."
Und auch die Stadt habe eine große Rolle gespielt: "In Chemnitz hat man einfach Bock, Dinge zu tun. Man hat sich seine Projekte hier nicht zerreden lassen. Das hat Chemnitz von anderen Städten unterschieden."
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Titelfoto: Sven Gleisberg, Uwe Meinhold