Kleine Jutta-Müller-Halle sorgt in Chemnitz für große Diskussion
Chemnitz - Die Würdigung der im November verstorbenen Chemnitzer Legende Jutta Müller (†94) droht zum Politikum zu werden.
OB Sven Schulze (52, SPD) hatte bereits im letzten Stadtrat vorgeschlagen, die kleine Trainingshalle im Eissportzentrum nach der erfolgreichsten Eiskunstlauf-Trainerin der Welt zu benennen, "um das Erbe dieser großen Chemnitzerin weiterzuerzählen". Die Stadträte sollen durch die Beratung im Sportausschuss mit einbezogen werden.
Doch warum nur die kleine Halle? Wäre nicht das gesamte Eissportzentrum angemessen? Trotz Anfrage schweigt sich das Rathaus zu diesem Thema aus. Im November hatte die AfD-Fraktion im Stadtrat schon genau diesen Vorschlag gemacht.
"Wir freuen uns, dass die Verwaltung unseren Vorschlag jetzt aufgenommen hat, Jutta Müller in dieser Form zu ehren", meint Fraktionsvize Nico Köhler (47).
"Es ist aber dieser erfolgreichen Chemnitzerin nicht würdig, eine alte, baufällige Trainingshalle nach ihr zu benennen. Der sichtbare, große Komplex wäre den Erfolgen von Jutta Müller angemessener."
Keine klare Haltung zu der Umbenennung in den Fraktionen
Die anderen Fraktionen weichen fast ausschließlich auf die Frage nach dem Gesamtkomplex aus: "Wir gehen davon aus, dass sich der Oberbürgermeister einvernehmlich mit der Familie Jutta Müllers über die Benennung der Trainingshalle verständigt hat", so Susann Mäder (39, Grüne).
Michael Specht (37, CDU): "Sollte die Umbenennung der Trainingshalle im Interesse des Chemnitzer Eiskunstlaufverbandes sein, würden wir diesem Vorschlag folgen." Vorher müsse diese allerdings "ertüchtigt" werden.
Linke und SPD argumentieren, dass die Trainingshalle Arbeitsort von Jutta Müller war. "Sie hatte dort ihr Büro und hat dort an ihrem Lebenswerk gearbeitet", so SPD-Fraktions-Chefin Jacqueline Drechsler (47).
Die Alternative zur Alternative
Kommentar von Raik Bartnik
Jutta Müller (†94) war die unangefochten erfolgreichste Eiskunstlauftrainerin der Welt. Die Frau mit strengem Haarknoten und Nerzmantel ist eine Legende und kam aus Chemnitz. Auch wenn sie wegen ihrer Trainingsmethoden und der Nähe zu den DDR-Oberen nicht unumstritten war.
Doch diese Zeiten sollten vorbei sein. Die Anteilnahme zur Trauerfeier vergangene Woche hat auch gezeigt, dass die positiven Erinnerungen an sie überwiegen.
Was sich in der Kommunalpolitik allerdings im Moment anbahnt, ist an Provinzialität kaum zu überbieten. Die Würdigung einer weltweit bekannten Chemnitzerin leidet unter politischer Überkorrektheit. Die AfD will den Gesamtkomplex im Küchwald nach Jutta Müller benennen. Wohl nur deswegen wird jetzt die kleine Trainingshalle als "Alternative" ins Spiel gebracht. Rathaus und Fraktionen mauern bei dem Thema um die Wette. Denkt dort niemand darüber nach, was das für eine Außenwirkung hat?
Ja, man muss sich mit der AfD auseinandersetzen und sich die Frage stellen, warum eine rechtsextreme Partei so groß werden konnte. Doch das sollte politisch geschehen und bei Verfehlungen und Murks sofort angeprangert werden. Auch vernünftige Ideen pro forma abzulehnen, nur weil sie von der AfD kommen, wird ihr noch mehr Menschen in die Arme treiben. Wir müssen nun wirklich nicht das Kind mit dem Bade ausschütten.
Titelfoto: Bildmontage: Sven Gleisberg, Wolfgang Thieme