Historische Bemalung im Chemnitzer Schmidt-Rottluff-Haus weg: Decken plötzlich weiß

Chemnitz - Gerettet oder innen totsaniert? Das Elternhaus von Karl Schmidt-Rottluff soll im Frühjahr als neues Museum eröffnen. Auf der Zielgeraden erhebt der ehemalige Leiter der Chemnitzer Denkmalschutzbehörde schwere Vorwürfe.

Denkmal-Experte Thomas Morgenstern (70) kritisiert die Innengestaltung des sanierten Elternhauses von Schmidt-Rottluff.  © Petra Hornig

Thomas Morgenstern (70), 30 Jahre oberster Denkmalhüter der Stadt, hatte die Unterschutzstellung des Gebäudes 2015 veranlasst. "Als ich mir jetzt das Haus angeschaut habe, war ich völlig entsetzt."

"Das Innere wurde komplett weiß gestrichen. Eine geometrisch gestaltete, mehrfarbige Decke im Treppenaufgang, die im Zusammenspiel mit den farbigen Bleiglasfenstern und dem Holzgeländer authentisch wirkte, ist verschwunden. Ein historischer Befund ist zu achten und zu erhalten, hier wurde er zerstört", erklärte Morgenstern.

Von der Stadt heißt es dazu: "Der Deckenbereich musste zur Bekämpfung des echten Hausschwammes vollständig abgebrochen und erneuert werden." Für Morgenstern keine Begründung: "Es wäre technisch möglich gewesen, die Decke zu erhalten. Farbfragmente der Wände hätte man als Ausschnitt zeigen können."

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Erbost ist auch Restaurator Rainer Müller (59), der 2015 mit der Dokumentation des Denkmals betraut war: "Mir ist unverständlich, warum die authentische Fassung nicht erhalten wurde."

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Eingangsflur und Treppenhaus erhalten noch einen Sockel, der an Farbbefunde angelehnt sei

In der Schmidt-Rottluff-Mühle wurde die Wandgestaltung erhalten. Restaurator Rainer Müller (59) ergänzte das Schablonenmuster.  © Detlev Müller

Der erfahrene Denkmalpfleger hält es für nicht unwahrscheinlich, dass der Expressionist an der Gestaltung des Elternhauses mitwirkte.

"Die Wandgestaltung, diese leuchtende Farbigkeit, war völlig untypisch für die Entstehungszeit des Hauses. In fast allen Räumen waren Fragmente erhalten: Englisch-Rot, Sonnengelb, gebrochenes Orange. Die prägnante Farbkombination der Decke im Treppenhaus findet sich auf Bildern Schmidt-Rottluffs wieder. Ich kann mir vorstellen, dass die Farbtöne von einer Malerfirma nach seinen Vorgaben gemischt wurden."

Die Stadt verweist dagegen auf "Zweifel an einer ersten Bestandsdokumentation" und eine nachfolgende Untersuchung durch die Amtsrestauratorin des Landesamtes für Denkmalpflege.

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"Für Decken- oder Wandmalereien von Schmidt-Rottluff gibt es keine kunsthistorischen, stilistischen, materialanalytischen Hinweise, Dokumente, Briefe oder Äußerungen." Eingangsflur und Treppenhaus erhalten noch einen Sockel, der an Farbbefunde angelehnt sei.

Bei der Gestaltung des Hauses seien "sowohl Vorschläge zur Wiederherstellung eines möglichst originalgetreuen Zustands als auch die Funktionalität des Hauses als Museum berücksichtigt" worden.

Historisches Ensemble ist umfassend saniert

Die ungewöhnliche Bemalung im Treppenhaus des Elternhauses wurde nach dem Abbruch einer eingezogenen Zwischendecke entdeckt.  © Rainer Müller, Restaurator

Zum Schmidt-Rottluff-Ensemble in der Limbacher Straße 380 und 382 gehört eine ehemalige Mühle, in der Karl Schmidt-Rottluff seine Kindheit verbrachte, und das benachbarte Landhaus, das sein Vater 1913 bauen ließ.

In diesem Haus lebte der Maler zwischen 1943 und 1946, als sein Berliner Atelier ausgebombt war. Die Mühle wurde vom Förderverein Karl Schmidt-Rottluff über Jahre hinweg saniert und im Herbst eröffnet.

Die Sanierung des Landhauses ist ein KuHa-Projekt. Hier werden ab April in einem neuen Museum persönliche Gegenstände und Arbeitsutensilien des Malers, Grafiken und Kunsthand gezeigt.

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Schade drum

Kommentar von Mandy Schneider

Kurz vor Fertigstellung des Hauses ist die farbige Deckengestaltung komplett verschwunden, die Wände des künftigen Museums strahlen weiß.  © Kristin Schmidt

In erster Linie ist es ein großes Glück, dass es nach langem Anlauf gelungen ist, das Karl-Schmidt-Rottluff-Ensemble zu retten und für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Den berühmten Expressionisten als Chemnitzer sichtbar zu machen, war überfällig und kommt im Kulturhauptstadtjahr gerade recht.

Verstörend ist allerdings, wie wenig die offiziell so gelobte Authentizität des Landhauses geachtet wurde. Auch wenn es keine Beweise gibt, dass der Expressionist seine Eltern bei der Gestaltung des Hauses unterstützt hat, so handelt es sich trotzdem um ein Haus unter Denkmalschutz, das sich immer in Familienbesitz befand und dessen Zustand überlieferte, wie die Familie des Künstlers dort gelebt hat.

Wenn selbst ein einfaches Waschbetonbecken wie das des Klapperbrunnens aus Denkmalschutzgründen teuer erhalten statt neu gebaut wird, sollte es bei einem künftigen Schmidt-Rottluff-Museum doch eine Pflicht sein, Ungewöhnliches wie die Deckengestaltung zu bewahren.

Karl Schmidt-Rottluff war ein König der Farben. Seinem einstigen Heim nahezu alle Farbigkeit zu nehmen, ist absurd und sehr schade.

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