Graffiti, Breakdance, Rap: Der B-Plan, das Zuhause der Chemnitzer HipHop-Kids
Chemnitz - Die Wende brachte das Aus für so manchen Jugendclub - andere erfanden sich neu. Das "Panorama" in Bernsdorf nannte sich um in "B-Plan". Der unscheinbare Flachbau wurde zum HipHop-Hotspot. Hier rappte, scratchte, breakte und sprayte die junge Szene, aus der noch Großes entstehen sollte.
Für den Chemnitzer René Kästner (44) war der "B-Plan" lange Zeit das zweite Zuhause. Hier tauchte er um 1991, als 14-Jähriger, in die ebenfalls junge HipHop-Szene ein.
"Die Szene war groß hier in Chemnitz", erinnert er sich heute. "Es gab etwa 300 aktive Kids." René Kästner entdeckte seine Leidenschaft für Breakdance und Graffiti.
Mit Baggy Pants, Kapuzenpulli und dem Rucksack voller Sprühdosen traf er sich mit seinen Freunden am B-Plan - wo fast jeden Tag was los war. Der Chemnitzer Rapper "Trettmann" (47), der heutzutage die deutschen Charts stürmt, hatte hier Anfang der 90er erste Auftritte.
Im B-Plan gab es eine kleine Bühne mit DJ-Pult und einen Fliesen-Boden, der perfekt für Breakdance war.
Die angesagte Musik war der East-Coast-Rap der damaligen Zeit: Notorious B.I.G., Wu-Tang Clan, Mobb Deep und Eric B. & Rakim.
"Dafür, dass wir mal 'ne Hochburg waren, ist wenig übrig."
Aber die B-Plan-"Kids" waren auch - typisch Chemnitz - Freunde des Selbermachens: "In meinem Umfeld hat jeder Zweite gerappt", sagt René Kästner. Die Rapper und Breakdancer aus den verschiedenen Stadtteilen lieferten sich in dem Jugendclub Wettkämpfe ("Battles") darum, wer am besten tanzen und reimen konnte.
Oft verbrachten die Jugendlichen aber auch einfach Zeit miteinander: "Ich bin nach der Schule kurz nach Hause und dann hierher", sagt René Kästner. "Und dann haben wir bis zum Abend gequatscht, Mucke gehört und abgehangen." Doch es war nicht alles so entspannt.
Zeitgleich mit der Chemnitzer HipHop-Kultur wuchs die rechtsextreme Szene. "Um '91, '92 sind die einen HipHopper geworden, die anderen Nazis." In Kästners Freundeskreis nähten sich die Jugendlichen den Slogan "Nazis raus" auf die Rucksäcke. "Wenn man da mal alleine in der Straßenbahn gefahren ist und drei Nazis drin waren, hatte man ein Problem."
Heute arbeitet René Kästner als Filmproduzent, dreht gerade eine Dokumentation über die Chemnitzer HipHop-Szene. Die habe sich stark verändert. Die Breakdance-, die Graffiti- und die Rap-Anhänger würden längst getrennte Wege gehen.
Und die Chemnitzer HipHop-Heads von damals hätten sich in ganz Deutschland verstreut: "Dafür, dass wir mal 'ne Hochburg waren, ist wenig übrig."
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Titelfoto: Dirk Seidel