Ein rebellischer Chemnitzer Geist: Künstlerin Dagmar Ranft-Schinke
Chemnitz - Sie ist die große alte Dame der Chemnitzer Kunstszene: Dagmar Ranft-Schinke (77) prägt mit Malerei und Grafik seit mehr als 50 Jahren das bildnerische Schaffen - und ebenso mit ihrem rebellischen Geist. Selbst im Lockdown fand sie einen Weg, um Kunst sichtbar zu machen, hängte kurzerhand Zeichnungen an einer Bushaltestelle in Adelsberg aus.
Als einzige Frau behauptete sich Dagmar Ranft-Schinke in den 1970ern in der legendären oppositionellen Künstlergruppe "Clara Mosch".
"Zu DDR-Zeiten war es einfacher, gleichberechtigt angenommen zu werden", meint sie rückblickend. Gleichwohl musste die schon damals erfolgreiche Grafikerin erleben, wie der wichtigste DDR-Kunstkritiker auf dem Weg zu ihrem damaligen Mann, Thomas Ranft, ihr Atelier durchquerte und bemerkte: "Ach, die Frau malt auch!"
Als Feministin mag sich Dagmar Ranft-Schinke nicht bezeichnen. "Ich möchte eher als Weltverbesserin etwas beitragen. Wir Frauen haben kämpfen gelernt. Und wir haben eine überschauende Wahrnehmung der Welt."
Wie eines ihrer Lieblingsmotive, der Pegasus, der sich auf vielen Bildern über das klein-klein erhebt, schaut auch seine Schöpferin leidenschaftlich gern nach rechts und links.
"Wir sind nicht die Beherrscher allen Seins. Unendliches Wachstum ist ein Widerspruch zur Natur."
"Handwerker, Künstler, Verwaltung und Arbeiter sollten gemeinsam an einem Tisch sitzen, um die Stadt voranzubringen."
Mit Blick auf Chemnitz wünscht sich die Künstlerin: "Es fehlt an einem kreativen Austausch. Handwerker, Künstler, Verwaltung und Arbeiter sollten gemeinsam an einem Tisch sitzen, um die Stadt voranzubringen."
Angesichts ihres noch immer emsigen Lebenswerkes überrascht es, dass Dagmar Ranft-Schinke eigentlich einen anderen Berufsweg einschlagen wollte: "Tierärztin auf einem Gestüt war mein Traum." Realistisch betrachtet, hätte sie es als Frau von kleiner, zierlicher Statur in diesem Beruf eher mit Kleintieren zu tun gehabt. "Das war mir nichts."
Pferde begleiten sie trotzdem durchs Leben. "Mit Pferden kann ich bis zum Horizont reiten, mit dem Pegasus in meinen Bildern darüber hinaus", sagte die Künstlerin einmal.
Die Bodenhaftung ging ihr darüber nie verloren - das tägliche Ausmisten des Pferdestalls in Adelsberg gehört zu ihrem Alltag, wie die Zeit im Atelier auf dem Sonnenberg, in dem sie zwei- dreimal pro Woche an neuen Bildern arbeitet.
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Titelfoto: Kristin Schmidt