Ein Chemnitzer Prototyp: Große Trauer um Designer-Legende Karl Clauss Dietel (†87)
Chemnitz - Abschied von einer Legende in Chemnitz: Karl Clauss Dietel ist im Alter von 87 Jahren verstorben.

Der Chemnitzer Formgestalter prägte die DDR-Welt, vom Wartburg 353 über die legendäre Simson S51 bis hin zur "Erika"-Schreibmaschine. Weggefährten erinnern sich an den Tüftler, der nicht nur in seiner Arbeit, sondern auch menschlich eine klare Linie zeigte.
Wie seine Familie am Montag mitteilte, verstarb Karl Clauss Dietel am Sonntag unerwartet. Der Chemnitzer Oberbürgermeister Sven Schulze (50, SPD) würdigte den Formgestalter: "Er war das Design-Gesicht der DDR." Dietels Tod ist ein Schock für seinen Weggefährten Klaus Dietz (77), früherer Entwicklungsleiter bei Heliradio in Limbach-Oberfrohna. "Ich bin seit 1962 mit ihm befreundet gewesen", so Dietz.
Karl Clauss Dietel hat einige der beliebtesten Heliradio-Produkte entworfen, etwa die bahnbrechenden Kugel-Lautsprecher "K 20 sensit". Doch Dietels visionäre Arbeit stieß andernorts auf Widerstand, erinnert sich Klaus Dietz: "Von dem, was er für Trabant und Wartburg konzipiert hatte, wurde nichts umgesetzt. Er war seiner Zeit weit voraus."

Clauss Dietel hinterlässt betroffene Wegbegleiter

Der Tod von Karl Clauss Dietel hinterlasse eine große Lücke, sagte auch Frieder Bach (78), Gründer des Chemnitzer Fahrzeugmuseums. "Es gibt sonst niemanden mehr, der sich so in der Gestaltungs-Geschichte auskennt. Er hatte noch mit den Gestaltern der Auto Union zu tun gehabt."
Auch Birgit Eichler (65), Mitinhaberin des "Mironde"-Verlags aus Limbach-Oberfrohna, profitierte von Dietels Erfahrung: "Wir hatten engen Kontakt, als wir ein Buch zu Marianne Brandt machten - denn Dietel kannte sie noch persönlich."
Der Formgestalter beeindruckte sie ebenso auf der menschlichen Ebene: "Er war geradlinig - äußerlich wie innerlich. Dietel zeigte immer Haltung."
Auch im Chemnitzer Industriemuseum herrscht Trauer: "Der Name Karl Clauss Dietel ist eng mit der Industriegeschichte verknüpft", sagte Sammlungsleiter Jürgen Kabus (40). Mit seinem "offenen Prinzip" habe Dietel Produkte geschaffen, die leicht verständlich und gut zu reparieren waren.
Deswegen seien sie auch heute noch so beliebt. "Karl Clauss Dietel begegnet uns an allen Ecken und Enden - auch weiterhin."

Das Vermächtnis des Produktdesigners

Karl Clauss Dietel (†87) kam 1934 in Reinholdshain (heute Ortsteil von Glauchau) zur Welt. Er lernte den Beruf des Maschinenschlossers, studierte Karosseriebau und Formgestaltung in Zwickau und Berlin. Nach seinem Abschluss 1961 zog Dietel nach Karl-Marx-Stadt, wurde kurz darauf freiberuflicher Formgestalter. Mit seinen kühnen Ideen prägte er fortan den DDR-Alltag.
Zu seinen bekanntesten Entwürfen zählt das legendäre Simson-Mokick S 50, das er Ende der 1960er-Jahre konzipierte. Hier setzte Dietel bereits auf sein "offenes Prinzip", wonach die Struktur für den Benutzer leicht verständlich sein musste.
So konnten Bastler leicht einzelne Bauteile reparieren oder austauschen. Auch der Simson-Roller SR 50 sowie das Moped S 51 gehen auf Dietel zurück. Für die MZ-Werke in Zschopau entwarf er die ETZ 125 und 150. Außerdem entwickelte Dietel 1962 den Grundentwurf für den legendären Wartburg 353.

Anfang der 1970er-Jahre ging die Schreibmaschine "Erika" in Serie - ebenfalls von Dietels Hand entworfen. Für Heliradio in Limbach-Oberfrohna entwickelte er von den frühen 1960ern bis zur Wende Radios im Baukasten-Prinzip und die stilprägenden Kugel-Lautsprecher. Lediglich im Auto-Bereich konnte er keine weiteren Erfolge verzeichnen - seine Entwürfe für einen Nachfolger des Trabant 601 wurden nie umgesetzt.
Titelfoto: Matthias Lippmann