Chemnitz trauert um Hartwig Albiro: "Er wird unvergessen sein"
Chemnitz - Große Trauer in der Kulturhauptstadt: Hartwig Albiro, von 1971 bis 1996 Schauspieldirektor und auch danach eine der wichtigsten Figuren der Stadtgesellschaft, ist am Silvestertag im Alter von 93 Jahren in seiner Wahlheimat Chemnitz verstorben.
OB Sven Schulze (53, SPD) nahm die Nachricht "mit Trauer und Bestürzung" auf: "Mit ihm verliert unsere Stadt eine der prägendsten Personen der Kulturszene."
Schulze hob besonders seine fortwährende "Haltung für Freiheit, Demokratie und Frieden" hervor. "Mein Beileid gilt seiner Familie und seinen Freunden. Er wird für immer in unserer Erinnerung bleiben."
KuHa-Geschäftsführer Stefan Schmidtke (56), gebürtiger Döbelner, kennt die Strahlkraft Albiros noch aus Besuchen im Karl-Marx-Städter Theater der Achtzigerjahre: "Das war 'eine dicke Nummer', absolut Erste Liga. Wenn sich Schauspieler in einer Inszenierung mit der staatstreuen Zeitung die Füße abwischten, hab ich mich im Zuschauerraum immer gefragt: Werden die gleich von der Bühne abgeführt?"
Als sich Hartwig Albiro für die Chemnitzer KuHa-Bewerbung engagierte, lernten sie sich persönlich kennen: "So ein wunderbarer Mensch, er wird unvergessen sein."
Goldene Jahre für das Theater
Geboren 1931 in Meuselwitz, arbeitete Hartwig Albiro zunächst als Schauspieler in Stendal, Altenburg und am Dresdner Theater der jungen Generation, bevor er 1958 in Meißen, ab 1961 am Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau und ab 1968 sogar am Berliner Ensemble ins Regie-Fach wechselte.
1971 zog es ihn schließlich nach Karl-Marx-Stadt, wo er dem Theater in seiner 25-jährigen Amtszeit zu einem herausragenden Ruf verhalf. Albiro engagierte reihenweise junge Talente, die "unter seinen Fittichen" zu großen DDR-Stars reiften: Michael Gwisdek, Horst Krause, Andreas Schmidt-Schaller, Peter Sodann, Ulrich Mühe, Corinna Harfouch - die Liste ließe sich mühelos fortsetzen.
Sogar Frank Castorf, heute einer der bekanntesten Theater-Regisseure seiner Zeit, lernte sein Handwerk auch bei Hartwig Albiro.
Besonders bedeutend wurde Albiros Wirken zur Wendezeit. Mit der DDR-Politik hatte er sich schon länger kritisch auseinandergesetzt, jetzt brach sich der Unmut Bahn. "Während der Friedlichen Revolution 1989 nahm das von ihm geleitete Schauspiel eine wichtige Rolle als Sammelbecken und Sprachrohr bürgerrechtlicher Kreise in Karl-Marx-Stadt ein", erinnert Theatersprecherin Theresa Schulz.
Im Jahr 2002, da war er schon sechs Jahre im Ruhestand, gründete er die "Chemnitzer Friedensimpulse", aus denen der "Chemnitzer Friedenstag" entstand. "Ohne seinen Einfallsreichtum und seine Erfahrungen hätte der Chemnitzer Friedenstag nicht die Beachtung gefunden, die er heute hat", kondolierte die heutige Arbeitsgruppe auf ihrer Internetseite. "Hartwig, wir vermissen Dich!"
Ab kommendem Montag liegt im Rathaus ein Kondolenzbesuch aus. Dort können Chemnitzerinnen und Chemnitzer Abschied von Hartwig Albiro nehmen.
Titelfoto: Kristin Schmidt