Von elitär bis rau und rockig: Großstadt-Feeling gab's abends im Kasch

Chemnitz - Einer der angesagtesten Jugendclubs von Karl-Marx-Stadt befand sich im Flemminggebiet: das "Kasch".

Hat die DJ-Pose immer noch drauf: Patricia Holland Moritz (53) rockt ihr Badezimmer.
Hat die DJ-Pose immer noch drauf: Patricia Holland Moritz (53) rockt ihr Badezimmer.  © Christian Kielmann

Es war eine der ersten Locations für "andere Bands" wie "Die Skeptiker", dort trafen sich die jungen Künstler und Freigeister. Hautnah miterlebt hat das Patricia Holland Moritz (53).

Heute ist sie eine bekannte Schriftstellerin, die zuletzt für ihren Chemnitz-Roman "Kaßbergen" gefeiert wurde. Damals feierte sie im "Kasch" mit ihrer DJ-Crew "Soul Step" ausgelassene Abende.

Patricia Holland Moritz entdeckte Mitte der 1980er ihre Liebe zur "Black Music": "Das war eine Lebenseinstellung, zu anderen Sachen zu tanzen als die anderen", erinnert sie sich.

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Als "Soul Step"-DJ brachte sie ab 1986 selbst die Leute zum Tanzen. Das kam so gut an, dass sie und ihre beiden Mitstreiter bald im "Kasch" auflegen durften.

Für sie eine große Ehre - denn das "Kasch" war zusammen mit dem "Würfel" im Heckert-Gebiet so etwas wie die Spitze der Jugendclubs.

"Der Würfel und das Kasch waren so elitär, dass man stolz war, reinzukommen."

Patricia Holland Moritz legte mit ihrer Diskothek "Soul Step" Ende der 80er-Jahre im "Kasch" auf.
Patricia Holland Moritz legte mit ihrer Diskothek "Soul Step" Ende der 80er-Jahre im "Kasch" auf.  © René Oehmig
Heutzutage lebt Patricia Holland Moritz (53) in Berlin und schreibt Bücher - auch über Chemnitz.
Heutzutage lebt Patricia Holland Moritz (53) in Berlin und schreibt Bücher - auch über Chemnitz.  © Christian Kielmann
Das "Soul Step"-DJ-Trio (v.l.): Dirk "Lämmi" Lämmerhirt, Patricia "Patty" Holland-Moritz und Sven "Straubi" Straube.
Das "Soul Step"-DJ-Trio (v.l.): Dirk "Lämmi" Lämmerhirt, Patricia "Patty" Holland-Moritz und Sven "Straubi" Straube.  © René Oehmig

Besonderes Publikum im "Kasch": Abiturienten tummelten sich neben freien Künstlern und Models

So sah es kurz vor der Wende im "Kasch" aus.
So sah es kurz vor der Wende im "Kasch" aus.  © Archiv Jörg Schneider

Das "Kasch" sei schon alleine wegen der Gäste interessant gewesen. Abiturienten tummelten sich neben freien Künstlern und Models, es herrschten besondere Kleidungs- und Tanz-Stile. "Keiner hat aktuelle DDR-Klamotten getragen", sagt Patricia Holland Moritz.

"Entweder man zog alte Sakkos oder Kleider von den Eltern an, oder man strickte die Kleidung selber." Auch Jungs hätten zu der Zeit gestrickt - und zwar direkt vor Ort im Jugendclub.

Neben der Kleidung war der Tanzstil im "Kasch" besonders wichtig. Die Jugendlichen imitierten die Bewegungen von Madonna oder Depeche Mode. "Man hätte nirgends einen Discofox gesehen. Wer so tanzte, war ein 'Stino' (Stinknormaler, d.Red.)."

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Auch nicht ganz unwichtig war der Alkohol: Wodka-Cola, Weinbrand-Cola und Wermut waren angesagt. Nicht selten schliefen Betrunkene in der Ecke ein - oder fuhren noch im Auto nach Hause. Denn ins "Kasch" kamen auch viele Jugendliche von weit außerhalb des Flemminggebiets. "An so einem Abend war Karl-Marx-Stadt eine große Stadt", sagt Patricia Holland Moritz.

Ende der 80er wurde das "Kasch" zu einer Anlaufstelle für die Umbruch-Musik der "anderen Bands" - moderne Musik mit systemkritischen Texten. Es ging rauer und rockiger zu als in anderen Jugendclubs. Kurz nach der Wende schloss das "Kasch". Das Gebäude in der Albert-Schweitzer-Straße 60 steht bis heute leer.

Hier gibt's die anderen Teile der TAG24-Serie zum Nachlesen

Titelfoto: Archiv Jörg Schneider

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