Ägypter zieht nach Chemnitz, um im Klinikum zu helfen

Chemnitz - Es klingt wie ein Märchen aus dem Orient, ist aber die Realität in Chemnitz. John Nashaat (33) kam vor einer Woche aus Ägypten nach Sachsen, um zu arbeiten. Nicht regulär, sondern für ein Taschengeld beim Bundesfreiwilligendienst (Bufdi). Nächsten Freitag fängt er im Klinikum an.

Neu-Chemnitzer John Nashaat (33) fühlt sich in Chemnitz pudelwohl.
Neu-Chemnitzer John Nashaat (33) fühlt sich in Chemnitz pudelwohl.  © Kristin Schmidt

Die Stelle vermittelt hatte die Heim gGmbH. Die erreichen jedes Jahr rund 500 Anfragen aus aller Welt für einen Job im Bufdi oder FSJ. 50 bis 60 werden angenommen, bleiben zwölf oder 18 Monate, bekommen inklusive Zuschuss für Wohnung und Verpflegung 800 Euro im Monat.

John Nashaat hörte davon von einem Heim-Elektriker, der in Hurghada Urlaub machte. Der Chemnitzer lud ihn ein: "Komm doch zu uns!" Gesagt, getan. Doch vorher zeigte der Ägypter seine menschliche Klasse.

Er fand in Hurghada die Facebook-Seite "Chemnitz live", fragte freundlich: "Welche kulturellen Unterschiede sollte ich beachten?" Er erlebte sofort die ganze Internet-Bandbreite, von rassistischen Anfeindungen bis zu hilfreichen Tipps für die Mülltrennung. Seiten-Administrator Harald Deckow (55) las mit und begleitet die ersten Schritte des Neubürgers.

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"Ein aufmerksamer, sympathischer Typ", sagt er. "John hat sich bei der Stadt selbst angemeldet und ein Konto eröffnet. Er spricht fantastisch Deutsch, obwohl er nur einen kurzen Kursus hatte."

Der Chemnitzer Harald Deckow (55) hilft John bei den ersten Schritten. Den Nischel hatte der BuFDi selbst entdeckt.
Der Chemnitzer Harald Deckow (55) hilft John bei den ersten Schritten. Den Nischel hatte der BuFDi selbst entdeckt.  © Kristin Schmidt

John Nashaat staunt über das neue Land. Zu TAG24 sagte er: "Alles so grün wie im Stadthallenpark. Abends ist es in meiner Wohnung in der Scheffelstraße ruhig - bis auf die Grillen. Die gibt es in Hurghada nicht."

Der Ägypter freut sich auf seinen Job: "Ich werde erst mal in der Küche helfen." Was er nicht lernen muss, ist deutsche Pünktlichkeit: "Ich bin mit dem Bus zum Klinikum gefahren, um zu sehen, wie lange es dauert. Wenn die Arbeit um acht Uhr beginnt, will ich um acht dort sein."

Zukunftssorgen im Freiwilligendienst

Eine helfende Hand, um den Alltag zu meistern - auch dabei unterstützen BufDis.
Eine helfende Hand, um den Alltag zu meistern - auch dabei unterstützen BufDis.  © dpa/Patrick Pleul

Was bis 2012 der Zivi war, ist heute der Bufdi. Ein Großteil von ihnen sind junge Männer und Frauen, die sich zwischen Abitur und Studium ein Jahr lang für etwas "Sinnvolles" einsetzen wollen - meist im sozialen Bereich.

Derzeit haben viele Anbieter von Bufdi-Stellen nicht nur Nachwuchs-, sondern auch Zukunftssorgen: Die Ampel-Koalition plant massive Einsparungen, jede vierte Stelle ist bedroht.

"Die Freiwilligendienste sind eine enorme Hilfe vor Ort, hier sollten wir nicht sparen", mahnt Natalie Rossow (35), Sprecherin der Johanniter in Sachsen. Das sieht auch Louise Hummel-Schröter (38), Sprecherin der Naturschutzorganisation BUND, so: "Dabei bieten wir eine wunderbare Chance, ganz praktisch zu helfen."

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In der Zeit des einjährigen Dienstes erhalten die Freiwilligen neben Urlaubstagen auch Fortbildungen und als Taschengeld monatlich 390 Euro. Infos: www.bundes-freiwilligendienst.de/bfd/sachsen.

Falsch gespart

Kommentar von Bernd Rippert

Das Klinikum Chemnitz: Hier fängt John Nashaat am 1. September an zu arbeiten.
Das Klinikum Chemnitz: Hier fängt John Nashaat am 1. September an zu arbeiten.  © Kristin Schmidt

Arbeitnehmermangel? Da haben wir doch was - den Bundesfreiwilligendienst und das Freiwillige Soziale oder Ökologische Jahr. Günstige Arbeitskräfte für die einen, die Eröffnung neuer Horizonte für die anderen.

Was viele nicht wissen: Dieses Programm gilt für Menschen weltweit. Vor allem aus Afrika gibt es in Chemnitz viele Anfragen. Zu viele - nur etwa jeder zehnte Interessent bekommt diesen Zugang nach Deutschland.

Alle, die sich da melden, wollen arbeiten. Für ein kleines Taschengeld. Sie stopfen Lücken, von denen viele Deutsche gar nicht mehr wissen, dass es sie gibt. Hilfsarbeiterjobs in der Pflege, in Grünanlagen, auf dem Bau. Der aktuelle Bundesfreiwilligen aus Ägypten, der das Zeug zum Vorbild hat.

Aber auch andere helfen uns aus Notlagen in so vielen Bereichen. Umso unverständlicher, dass die Bundesregierung die Mittel für Bufdis, FSJ- und FÖJler ab 2024 radikal kürzen möchte. Vielen jungen Leuten wird so das Freiwilligenjahr versperrt, und auch aus dem Ausland kommen weniger Helfer. Das nennt man sparen an der falschen Stelle.

Titelfoto: Kristin Schmidt

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