120 Jahre Villa Esche in Chemnitz: Von der Strumpffabrik zur Eventlocation
Chemnitz - "Meisterwerk der Moderne", "Design-Ikone", "Prachtbau". Wenn es um die Chemnitzer Villa Esche geht, überschlagen sich Architekturliebhaber mit Superlativen. Vor 120 Jahren ist das Gesamtkunstwerk entstanden.

Ohne die Möbel kein Haus. So einfach ist die Vorgeschichte des wohl schönsten Hauses von Chemnitz. "Die Chemnitzer Firma Esche war einst DAS führende Unternehmen der Strumpffabrikation in Deutschland", berichtet Leiterin Andrea Pötzsch.
"Die Verlobte des ältesten der Esche-Söhne hatte in der Zeitschrift "DEKORATIVE KUNST" Möbel vom des belgischen Gestalters Henry van de Velde entdeckt."
Kurz darauf, 1899, lässt sich das junge Paar von ihm seine erste Wohnung einrichten, findet aber bald, dass ein maßgeschneidertes Haus im gleichen modernen Stil, wie die Möbel dazu schön wäre. Geld hat der Herr Papa genug, außerdem ist Sohnemann Herbert Esche als Bauherr gerade selbst in die Firma eingetreten.
Also wird der Belgier nochmals engagiert. Und der schöpft aus dem Vollen, so Pötzsch: "Van de Velde genoss das absolute Vertrauen seiner Auftraggeber und durfte einfach alles entwerfen: Klinken, Wandbespannung, Möbel, das Familienporzellan und -silber, die Tabakspfeife des Hausherrn ebenso wie die Kleider der Dame des Hauses und den Brieföffner - der Idealfall für einen Künstler."
"Und das Budget dafür schien auch gepasst zu haben. So konnte van de Velde an einem komplett ausgestatteten Haus zeigen, wie man modern und zeitgemäß wohnen kann", Pötzsch weiter.



Noch weitere Bauten des Belgiers in Chemnitz

Genau genommen hat die Villa dreimal Geburtstag: 1903/04, 1911 und 2001.
1911 erfolgte die Erweiterung zur jetzigen Gestalt und im Frühjahr 2001 konnte die dreijährige Sanierung des maroden Gebäudes durch den Eigentümer GGG abgeschlossen werden.
Das Haus ist heute Tagungsstätte, Veranstaltungspodium und Eventlocation und beherbergt das erste Henry van de Velde Museum Deutschlands.
Die Villa ist übrigens nicht der einzige Bau van de Veldes in Chemnitz: Für den sportbegeisterten Bruder des Fabrikanten, Fritz Eugen Esche (1876-1953), entwarf er 1908 an der Goethestraße ein Tennisclubhaus. Dieses wurde allerdings in den 1960er-Jahren abgerissen.


Der Schwiegervater von Fabrikant Esche ließ 1908 in seiner im Neorenaissancestil erbauten Villa von van de Velde die Eingangshalle umgestalten (Beyerstraße 28, Villa Quisisana). Diese existiert noch. Sein Sohn, Dr. Theodor Koerner jr., beauftragte van de Velde ebenfalls mit dem Bau einer Villa (Villa Koerner, Beyerstraße 25).
Titelfoto: Uwe Meinhold, Kristin Schmidt