Haushaltskrise! Chemnitzer Theatern droht Sparkurs, damit der Vorhang nicht fällt
Chemnitz - Den Chemnitzer Theatern stehen schmerzhafte Einschnitte bevor. Wenn der Stadtrat den neuen Haushalt beschließt, werden die Bühnen ab 2027 um einiges kleinere Brötchen backen müssen. Muss sich Chemnitz bald von einer der Sparten trennen?

"Ich finde es schlimm, dass wir gerade im Kulturhauptstadt-Jahr über so etwas reden müssen", ärgert sich Fördervereins-Chefin Nora Seitz (40), die gerade für die CDU in den Bundestag eingezogen ist. "Chemnitz braucht deutlich mehr Selbstbewusstsein beim Theater."
Was liegt bislang auf dem Tisch? Die Stadt schießt künftig nicht mehr als 36 Millionen Euro zu. Damit kommen die Theater bis 2026 hin, doch dann rutscht die Gesellschaft ins Minus (2027 schon deutlich über zwei Millionen Euro).
Die große Unbekannte ist die künftige Höhe der sächsischen Finanzspritze. Das Land wird erst im Sommer seinen Haushalt haben, bis dahin liegen die bis jetzt geflossenen 4,5 Millionen Euro jährlich zugrunde.
Über ein Ende als 5-Sparten-Theater - Schauspiel, Oper, Philharmonie, Ballett und Figurentheater - will derzeit niemand offen reden. "Die Theater mit all ihren Sparten sind ein wichtiger Bestandteil des Chemnitzer Kulturlebens", hatte OB Sven Schulze (53, SPD) vor einem Jahr betont. "Dahinter stehe ich ohne Einschränkungen", bekräftigte Aufsichtsrats-Chefin Dagmar Ruscheinsky (65, parteilos).



Stadtrat fordert von den Theatern Eigeninitiative bei der finanziellen Konsolidierung

Auch im Stadtrat will man fraktionsübergreifend keine Abstriche machen, fordert von den Theatern aber auch Eigeninitiative bei der finanziellen Konsolidierung.
"Intendanz, einzelne Verantwortliche und insbesondere die kulturbegeisterten Gäste sollten sich beraten, bevor sich Politik einmischt", so das BSW. "Vielleicht gibt es Ansätze, die noch gar nicht zur Sprache gekommen sind."
Linken-Fraktions-Chefin Susanne Schaper (47) will mit Intendanz und Aufsichtsrat über Sparmaßnahmen reden. Die SPD kann sich nach den Worten von Julia Bombien (42) "einen moderaten Umbau der Orchesterstärke ohne Einschränkung der künstlerischen Qualität" vorstellen.
Anna Lanfermann (35, Grüne) schlägt vor, "gleichartige Verwaltungsaufgaben der verschiedenen städtischen Gesellschaften im Kulturbereich zu bündeln".
Gegenteil von elitär
Kommentar von Mario Adolphsen
Wenn im Rathaus gespart werden muss, trifft es zuerst die freiwilligen Leistungen: Soziales und Kultur. Das ist verständlich, weil möglich - aber trotzdem ungerecht.
Das Angebot der städtischen Theater finde ich nicht elitär, im Gegenteil. Ob Figurentheater mit dem Kindergarten oder Schauspiel mit der Schulklasse: Im Alltag geht es hier ganz oft nicht um Belustigung für die Oberschicht, sondern um Erstkontakt mit Kultur, der fürs Leben prägt.
Dafür müssen Tickets bezahlbar bleiben. Auch für Senioren, was ohne Förderung unmöglich ist. Wie sollte ein Chemnitzer einen "realistischen Marktpreis" für ein Sinfoniekonzert bezahlen? Die Philharmonie hat 99 Musiker-Planstellen.
Übrigens: 99 ist musikalisch betrachtet knapp bemessen. Die Dresdner Staatskapelle beschäftigt 150 Musiker ...
Alle müssen mitziehen
Kommentar von Raik Bartnik
Chemnitz muss künftig kleinere Brötchen backen, den Gürtel enger schnallen, den Rotstift ansetzen: Sprachlich lässt sich die finanzielle Misere in vielen Facetten ausmalen. Es trifft den Ernst der Lage auf den Punkt. Wir werden in den nächsten Jahren immer mehr ins Minus rutschen, und das wird sich auch so schnell nicht ändern.
Wenn wir sparen, müssen alle mitziehen. Das gilt auch für unsere Theater. Sie bekommen Zuschüsse in zweistelliger Millionenhöhe und müssen auch wirtschaftlich arbeiten. Andere Sport- und Freizeiteinrichtungen müssen es auch. Je künstlerisch wertvoller ein Angebot ist, desto begrenzter ist auch der Besucherkreis.
Bevor man zu viel abschafft, gibt es Möglichkeiten, finanziell zu straffen. Der Vorschlag, die Verwaltung städtischer Gesellschaften zusammenzulegen, hat Potenzial.
Zwickau hat sein Puppentheater erfolgreich in die Hände des städtischen Eventvermarkters KultourZ gegeben. Wenn das in Chemnitz die C3 übernehmen würde, dann würde die Qualität sicher nicht sinken.
Titelfoto: Kristin Schmidt