Eisladen-Besitzerin über Zustände "Am Wall": "Das ist der schlimmste Ort von ganz Chemnitz"
Chemnitz - Der Boulevard "Am Wall" entwickelt sich zum Schandfleck in der Chemnitzer Innenstadt. Anlieger beschweren sich über Trinker, Schläger, Belästigungen und ein stinkendes Parkhaus zwischen Roter Turm und Theaterstraße. Politiker wollen eingreifen - aber ganz unterschiedlich.
Die Beschwerden sind eindeutig: "Kürzlich haben sich hier 20 Leute geprügelt. Ich wurde sogar im Laden belästigt, aber keine Polizei kam", schimpft Nazanin Baba Khani (33) vom Eisladen "Wowfullz". Für sie ist der Wall "der schlimmste Ort von ganz Chemnitz!"
Über abgeschreckte Kunden ärgert sich auch Sindy Röthig (39) vom Humana Second Hand und Vintage, mehr Polizei wünscht sich Orientmarkt-Inhaber Ahmad Eid (29): "Deutsche, Marokkaner, Araber und Afrikaner streiten sich, zerschmeißen Flaschen - es ist ganz schlimm."
Rechtsanwältin Nadja Döscher-Schmalfuß (50) zog sogar mit ihrer Kanzlei aus dem Aldi-Gebäude aus: "Da lungern früh Leute mit Alkohol herum, dazwischen Hunde, es ist dreckig, Fäkalien liegen im Parkhaus, man wird als Frau angemacht - Mandanten bekamen einen Schock."
CDU-Stadtrat fordert "konsequentes Durchgreifen", Linke setzen auf Streetworker
Die Polizei schickt bereits mehr Streifen zum Wall. Der Stadtordnungsdienst verweist auf Dauerkontrollen im Zentrum. Zwar gebe es im Grünstreifen des Wall ein Alkoholverbot, nicht aber auf den Gehwegen daneben.
"Pöbeln und Alkohol" sind laut CDU-Stadtrat Michael Specht (36) Probleme in der ganzen Innenstadt. Die CDU wolle sich das mit dem neuen Ordnungsbürgermeister ansehen. Specht fordert "ein konsequentes Durchgreifen".
"Streetworker statt Ordnungshüter" möchte Carolin Juler (24, Linke) im Zentrum sehen. "Sonst bekämpfen wir nur die Symptome, nicht die Ursachen." Juler fordert aber auch "angstfreie Räume für Mieter am Wall".
Die jüngste Attacke am Wall ereignete sich am Donnerstagabend. Ein Libyer (28) und ein Syrer (20) gerieten in Streit. Dabei zückte der Ältere offenbar ein Messer, verletzte seinen Kontrahenten schwer und flüchtete.
Konzepte gegen Konflikte
Kommentar von Bernd Rippert
Die Sicherheitslage in der Innenstadt hat sich in letzter Zeit deutlich verschlechtert. Das bekommt jeder mit, der vom Stadthallenpark durch den Wall läuft.
Im Parkhaus stinkt es gewaltig. Es gibt Konflikte, Trinkgelage und frustrierte Anlieger. Die häufigen Kontrollen von Polizei und Stadtordnungsdienst können das Problem nicht eindämmen.
Darum brauchen wir neue Konzepte für das Zentrum. Die Meinung, vor der Repression müssten sich Streetworker um die Klientel am Wall kümmern, scheint mir schlüssig. Alle bisherigen Kontrollen bringen ja wenig.
Sozialarbeiter sollten die Vorhut bilden, mit den Trinkern ins Gespräch kommen und Lösungen suchen. Derweil könnte der Stadtrat darüber nachdenken, ob er das Alkoholverbot in Grünanlagen auf den gesamten Wall samt Stadthallenpark ausdehnt. Vor allem sollte die Kommunalpolitik über ein Messerverbot in der Innenstadt diskutieren, um Konflikte zu entschärfen.
Wenn alles nichts nützt, müssen Sicherheitsbehörden eine härtere Gangart einlegen. Aber bis dahin bleibt einiges zu tun.
Titelfoto: Kristin Schmidt, Maik Börner