Chemnitzer Eingemeindungs-Serie, Teil 6: Grüna, das Dorf der Selbstbewussten

Chemnitz - In der neuen TAG24-Serie beschäftigen sich Ortsvorsteher der Ex-Dörfer, die mittlerweile zu Chemnitz gehören, damit, was ihnen die Eingemeindung gebracht hat. Im sechsten Teil geht's um den Stadtteil Grüna.

Von den Feldern im Norden aus ist der Ortskern von Grüna zu überblicken. Links oben drängen sich die hellen Häuser des Wohngebietes Hexenberg, das ab 1993 gebaut wurde.
Von den Feldern im Norden aus ist der Ortskern von Grüna zu überblicken. Links oben drängen sich die hellen Häuser des Wohngebietes Hexenberg, das ab 1993 gebaut wurde.  © Kristin Schmidt

Grüna gleicht eher einer Kleinstadt als einem Dorf. Es gibt mehr Geschäfte als in manchem zentrumsnahem Stadtteil, dazu drei Gewerbegebiete und auch das Selbstbewusstsein der Bürger ist einen Tick größer. Dass sich ein Grünaer anderswo als Chemnitzer vorstellt, ist auch im 24. Jahr nach der Eingemeindung ziemlich unwahrscheinlich.

Die widerspenstigen Bürger hatten sich bis zuletzt gegen die Eingemeindung gestemmt. Danach herrschte lange Funkstille zwischen Stadt und Ortschaft: "Die haben anfangs kein Wort miteinander geredet und auch einige Akten nicht rausgerückt", weiß Lutz Neubert (51, Freie Wählervereinigung), der seit 2009 Ortsvorsteher ist. "Erst mit dem neuen Oberbürgermeister hat sich die Kommunikationskultur extrem verbessert."

Was geblieben ist: "Die Einwohner identifizieren sich mit Grüna, weniger mit Chemnitz. Noch mehr seit der 750-Jahr-Feier 2013, danach haben unsere knapp 40 Vereine einen deutlichen Zulauf bekommen, der Zusammenhalt ist gewachsen."

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Von Nachteil ist das für die Stadt nicht, im Gegenteil: "Eine kaputte Zuleitung zum Teich am Nebelgut, für deren Reparatur die Stadt 100.000 Euro kalkuliert hatte, stemmten Grünaer Bürger in Eigenleistung für 8000 Euro Materialkosten", so der Orts-Chef.

Grüna wurde 1999 eingemeindet. Mit einer Fläche von 13,8 Quadratkilometern ist es der flächenmäßig größte Chemnitzer Stadtteil.
Grüna wurde 1999 eingemeindet. Mit einer Fläche von 13,8 Quadratkilometern ist es der flächenmäßig größte Chemnitzer Stadtteil.  © Kristin Schmidt
Lutz Neubert (51) engagiert sich im Grünaer Rathaus seit 2009 als Ortsvorsteher.
Lutz Neubert (51) engagiert sich im Grünaer Rathaus seit 2009 als Ortsvorsteher.  © Kristin Schmidt

Chemnitz-Grüna: Ein wirtschaftlich starker Stadtteil

Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (1930-2021) weihte 1992 die Lagerhalle von Coca-Cola ein.
Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (1930-2021) weihte 1992 die Lagerhalle von Coca-Cola ein.  © Haertelpress/Harry Härtel

Das wirtschaftlich starke Grüna war für Chemnitz als neuer Stadtteil besonders attraktiv, erwies sich aber auch als extra renitent.

Nach der Wende hatte Bürgermeister Gerhard Traetz (1934-2011) unter anderem mit der Ansiedlung von Coca-Cola für sprudelnde Gewerbeeinnahmen und mit dem Bau des Wohngebietes am Hexenberg für einen Einwohnerzuwachs um fast 40 Prozent gesorgt.

Mit dem Bau des Totensteinturms schlug er der Stadt ein letztes Schnippchen und steckte 1998 rund 300.000 D-Mark lieber in die Wiedererrichtung des Wahrzeichens, als das Geld dem städtischen Kämmerer zu überlassen, der eigentlich schon die Finanzhoheit hatte.

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Ein Teil der Gewerbesteuern der mehr als 500 ansässigen Unternehmen und Selbstständigen floss nach der Eingemeindung in den Ort zurück: in die Sanierung der Grundschule, das neue Gerätehaus der Feuerwehr, ein neues Domizil für das Familienzentrum und jüngst in die Erneuerung des Spielplatzes.

Nächstes Ziel: "Wir haben über 500 aktive Sportler im Ort, die dringend eine Turnhalle brauchen", so Neubert.

Die sanierte Grundschule trägt den Namen des Grünaer Luftpioniers Georg Baumgarten.
Die sanierte Grundschule trägt den Namen des Grünaer Luftpioniers Georg Baumgarten.  © Kristin Schmidt

Mehr als nur Folklore

Sandra und Jörg Hofmann sorgen im denkmalgeschützten Folklorehof für Gastlichkeit.
Sandra und Jörg Hofmann sorgen im denkmalgeschützten Folklorehof für Gastlichkeit.  © Kristin Schmidt

Kultureller und kulinarischer Mittelpunkt von Grüna ist der Folklorehof. Der denkmalgeschützte Dreiseitenhof mit dem Hotel und Restaurant wird seit 1996 als Kultur- und Veranstaltungsort genutzt.

Im Herbst wird hier der Baumgartentag gefeiert. Im Advent dreht sich in der Hofmitte eine von drei Ortspyramiden.

Der knapp zwei Kilometer entfernte Aussichtsturm auf dem Totenstein ist von hier aus zu Fuß in zwanzig Minuten zu erreichen.

Auch zur Ausstellung über den fliegenden Oberförster Georg Baumgarten (1837-1884) ist es nicht weit. Die Schau im Rathaus hat Samstagnachmittag geöffnet.

Der Maria-Josefa-Turm auf dem Totenstein war die letzte große Anschaffung aus der Ortskasse.
Der Maria-Josefa-Turm auf dem Totenstein war die letzte große Anschaffung aus der Ortskasse.  © Sven Gleisberg

Hier gibt's die anderen Teile der TAG24-Serie zum Nachlesen

Titelfoto: Kristin Schmidt

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