Chemnitzer Eingemeindungs-Serie, Teil 6: Grüna, das Dorf der Selbstbewussten
Chemnitz - In der neuen TAG24-Serie beschäftigen sich Ortsvorsteher der Ex-Dörfer, die mittlerweile zu Chemnitz gehören, damit, was ihnen die Eingemeindung gebracht hat. Im sechsten Teil geht's um den Stadtteil Grüna.
Grüna gleicht eher einer Kleinstadt als einem Dorf. Es gibt mehr Geschäfte als in manchem zentrumsnahem Stadtteil, dazu drei Gewerbegebiete und auch das Selbstbewusstsein der Bürger ist einen Tick größer. Dass sich ein Grünaer anderswo als Chemnitzer vorstellt, ist auch im 24. Jahr nach der Eingemeindung ziemlich unwahrscheinlich.
Die widerspenstigen Bürger hatten sich bis zuletzt gegen die Eingemeindung gestemmt. Danach herrschte lange Funkstille zwischen Stadt und Ortschaft: "Die haben anfangs kein Wort miteinander geredet und auch einige Akten nicht rausgerückt", weiß Lutz Neubert (51, Freie Wählervereinigung), der seit 2009 Ortsvorsteher ist. "Erst mit dem neuen Oberbürgermeister hat sich die Kommunikationskultur extrem verbessert."
Was geblieben ist: "Die Einwohner identifizieren sich mit Grüna, weniger mit Chemnitz. Noch mehr seit der 750-Jahr-Feier 2013, danach haben unsere knapp 40 Vereine einen deutlichen Zulauf bekommen, der Zusammenhalt ist gewachsen."
Von Nachteil ist das für die Stadt nicht, im Gegenteil: "Eine kaputte Zuleitung zum Teich am Nebelgut, für deren Reparatur die Stadt 100.000 Euro kalkuliert hatte, stemmten Grünaer Bürger in Eigenleistung für 8000 Euro Materialkosten", so der Orts-Chef.
Chemnitz-Grüna: Ein wirtschaftlich starker Stadtteil
Das wirtschaftlich starke Grüna war für Chemnitz als neuer Stadtteil besonders attraktiv, erwies sich aber auch als extra renitent.
Nach der Wende hatte Bürgermeister Gerhard Traetz (1934-2011) unter anderem mit der Ansiedlung von Coca-Cola für sprudelnde Gewerbeeinnahmen und mit dem Bau des Wohngebietes am Hexenberg für einen Einwohnerzuwachs um fast 40 Prozent gesorgt.
Mit dem Bau des Totensteinturms schlug er der Stadt ein letztes Schnippchen und steckte 1998 rund 300.000 D-Mark lieber in die Wiedererrichtung des Wahrzeichens, als das Geld dem städtischen Kämmerer zu überlassen, der eigentlich schon die Finanzhoheit hatte.
Ein Teil der Gewerbesteuern der mehr als 500 ansässigen Unternehmen und Selbstständigen floss nach der Eingemeindung in den Ort zurück: in die Sanierung der Grundschule, das neue Gerätehaus der Feuerwehr, ein neues Domizil für das Familienzentrum und jüngst in die Erneuerung des Spielplatzes.
Nächstes Ziel: "Wir haben über 500 aktive Sportler im Ort, die dringend eine Turnhalle brauchen", so Neubert.
Mehr als nur Folklore
Kultureller und kulinarischer Mittelpunkt von Grüna ist der Folklorehof. Der denkmalgeschützte Dreiseitenhof mit dem Hotel und Restaurant wird seit 1996 als Kultur- und Veranstaltungsort genutzt.
Im Herbst wird hier der Baumgartentag gefeiert. Im Advent dreht sich in der Hofmitte eine von drei Ortspyramiden.
Der knapp zwei Kilometer entfernte Aussichtsturm auf dem Totenstein ist von hier aus zu Fuß in zwanzig Minuten zu erreichen.
Auch zur Ausstellung über den fliegenden Oberförster Georg Baumgarten (1837-1884) ist es nicht weit. Die Schau im Rathaus hat Samstagnachmittag geöffnet.
Hier gibt's die anderen Teile der TAG24-Serie zum Nachlesen
- Teil 1: In Euba staut sich die Wut!
- Teil 2: Am Wasserschloss Klaffenbach bleibt alles im Fluss
- Teil 3: Erzgebirgsidylle in Kleinolbersdorf-Altenhain
- Teil 4: In Einsiedel herrscht wieder Ruhe
- Teil 5: Durchs Chemnitztal nach Wittgensdorf
- Teil 7: Mittelbach: "Wir wurden von Anfang an verschaukelt"
- Teil 8: Röhrsdorf - Zwischen Bauernhof und Einkaufs-Tempel
Titelfoto: Kristin Schmidt