Kulturhauptstadt 2025: "Der Titel wird den inneren Frieden in Chemnitz fördern"
Chemnitz - Nächstes Jahr ist Chemnitz Europäische Kulturhauptstadt. Neun Jahre zuvor hatte die spanisch-baskische Tourismus-Metropole San Sebastián diesen Titel. Kulturfachmann Imanol Galdos (60) erinnert sich an die anfängliche Skepsis in der Bevölkerung und sagt heute voller Überzeugung: "Wir sind seitdem eine viel bessere Stadt als vorher!"
Redakteur Bernd Rippert (64) besuchte San Sebastián am Golf von Biskaya.
Die 184.000-Einwohner-Stadt heißt auf Baskisch Donostia und das Büro Galdos' Donostia Kultura. Ein wichtiger Punkt, um die Bedeutung der Kulturhauptstadt zu verstehen.
Die Basken kämpfen seit Jahrzehnten für mehr Autonomie vom Königreich - obwohl die Stadt ihren starken Tourismus und den heutigen Reichtum auch der Tatsache verdankt, dass ihr Megastrand La Concha viele Jahre als Sommerfrische und Kurbad für das spanische Königshaus und den europäischen Hochadel diente.
Die Terrororganisation ETA kämpfte mit Bombenanschlägen und Gewalt für ein freies Baskenland und legte die Waffen erst 2011 nieder.
Miteinander reden
"Wir brauchten durch die Kulturhauptstadt nicht mehr Kultur, sondern mussten die zerrissene Gesellschaft wieder zusammenführen", erinnert sich Imanol Galdos und verweist auf Spaltungstendenzen auch in Chemnitz.
Der Kulturmann, der Chemnitz bei der Bewerbung für den Titel half, sieht noch mehr Parallelen: "Beide Städte liegen in ihren Ländern am Rand und sind doch so wichtig."
Imanol Galdos ist sicher, dass das Kulturhauptstadtjahr den inneren Frieden in Chemnitz befördern wird. "Bei uns wirkt dieser Prozess noch heute."
Dabei hatten auch viele Basken vor 2016 "Angst, ihre Stadt zu verlieren, weil wenige die Idee der Kulturhauptstadt verstanden". Heute seien die Bewohner überzeugter von Europa denn je, könnten wieder über alle politischen Differenzen hinweg miteinander reden. Zudem stiegen die Übernachtungszahlen von knapp 1,7 Millionen im Jahr 2014 auf 1,95 (2023).
Die Basken mussten für ihre Kulturhauptstadt - wie Chemnitz - kaum etwas neu bauen.
Nach der feierlichen Eröffnung am 26. Januar 2016 im ehrwürdigen Victoria-Eugenia-Theater versetzten 458 Events die Stadt in einen Feier-Dauerrausch.
Vereint in Freude
Höhepunkt für die Stadt der Trommler war die "Tamborrada" mit Tausenden Trommlern am La-Concha-Strand.
"An diesem Tag war die ganze Stadt dabei und alle vereint in ihrer Freude über die Kulturhauptstadt", erinnert sich Imanol Galdos.
"An dem Tag ging ein Ruck durch die Menschen."
Nein, mehr Kultur brauchte San Sebastián 2016 nicht. Beim jährlichen Filmfestival drängen sich berühmte Hollywoodstars am Strand, in den mit 16 Michelin-Sternen ausgezeichneten Restaurants schlagen sich Weltstars wie Mick Jagger den Magen voll mit edlem Hummer.
Und Brad Pitt schwärmte nach einem Dinner mit Quentin Tarantino im Lokal "Arzak" vom "besten Abendessen meines Lebens".
Ja, die Europäische Kulturhauptstadt sollte mehr inneren Frieden in der Stadt stiften.
"Das ist uns bis heute, neun Jahre später, gelungen", sagt Imanol Galdos, der am 18. Januar 2025 zur Eröffnung des Feier-Jahres nach Chemnitz kommt.
Titelfoto: Bildmontage: privat, Jan Woitas/dpa