Preis-Explosion! Stollen in Sachsen teuer wie nie, Traditions-Bäcker bangen um Kunden
Chemnitz - Weihnachtszeit ist Stollenzeit. Doch allzu optimistisch blicken die Stollenbäcker in Sachsen nicht auf die bevorstehende Saison des weißen Gebäcks.
Von allen Seiten prasselt es auf die Traditionshandwerker ein: Energiekrise, Mindestlohn, explodierende Rohstoffkosten. Ohne Preisanpassung geht es dieses Jahr nicht.
Und die Sorge, dass Kunden auf den Billigstollen vom Discounter umsteigen, ist so groß wie nie.
Im November geht's bei Gerd Nestler (62) los mit dem Stollenverkauf. Drei Wochen später will der Bäckermeister endlich wieder auf dem Chemnitzer Weihnachtsmarkt durchstarten.
"Wir werden so viel Stollen backen, wie die Jahre zuvor. Wegen des Rohstoffmangels mussten wir uns mit Zutaten eindecken und ins Risiko gehen."
Statt 27,90 werden 31,50 Euro für den Butterstollen (1,5 Kilo) fällig. "Der Butterpreis ist 150 Prozent raufgegangen, der Zuckerpreis hat sich verdoppelt." Hinzu kämen die Mindestlohn-Erhöhungen.
Preissprünge von 20 Prozent und mehr?
Martin Hübner (36), Chef der Annaberger Backwaren, rechnet mit Preissprüngen von 20 Prozent und mehr.
"Wir erleben durchschnittliche Kostensteigerungen von 30 bis 40 Prozent in allen Bereichen. Alles können wir nicht weitergeben, aber einen Teil müssen wir." Erstmals werde der Butterstollen (1,5 Kilo) die Marke von 35 Euro knacken.
Die Befürchtungen, dass Kunden aufgrund der Mega-Inflation auf Stollen verzichten oder in den Supermarkt gehen, ist groß. "Die Schere zwischen Industrie und Handwerk geht immer weiter auseinander. Wir hoffen, dass uns die Kunden die Stange halten", so Hübner.
Genauso sieht's Wolfgang Meyer (74), Chef der Chemnitzer Bäcker-Innung: "Wir wissen nicht, ob es uns die nächsten Jahre noch gibt." Er selbst scheut sich vor der Preiskalkulation. "Ich glaube, 20 Prozent kann ich nicht machen. Da rennen mir die Kunden weg."
Geht zum Bäcker!
Kommentar von Stefan Graf
Die Bandbreite der Gefühlslage unter den Stollenbäckern reicht von leichter Zuversicht bis hin zu Verzweiflung. Einige freuen sich, (hoffentlich) wieder auf Weihnachtmärkten präsent zu sein. Andere, vor allem kleinere Backstuben, schauen mit bangem Blick aufs Weihnachtsfest.
Energiekrise, Kostenexplosion und Mindestlohn lassen den Bäckern kaum Luft zum Atmen. Auf Sicht zu fahren und weniger Stollen zu produzieren - kaum möglich, da der knappe Rohstoffmarkt die Handwerker in Zugzwang gebracht hat. Schließlich war und ist unklar, ob für die Produktion überhaupt alle Zutaten zu haben sind.
Die Lage ist ähnlich dramatisch wie bei Brot und Brötchen. Allerdings greifen die Leute im Alltag hier noch eher zu, als beim Weihnachtsstollen, der in dieser Saison zum Luxus-Lebensmittel zählen dürfte. Oder sie gehen eben zum Discounter.
Im schlimmsten Fall bleiben die Bäcker auf ihren Waren sitzen und erleben weitere Tiefschläge. Das Aus könnte dann schneller kommen als gedacht. Daher mein Appell: Gehen Sie, wenn Sie den Taler übrig haben, zum Bäcker ihres Vertrauens und halten Sie unsere Traditionen und das Handwerk am Leben.
Titelfoto: Uwe Meinhold