Lulatsch als farbenfrohe Dreckschleuder: Chemnitz rüstet Fernwärme-Versorgung um
Chemnitz - Der gut 300 Meter hohe, farbenfroh verzierte Schlot des Heizkraftwerkes Nord in Chemnitz spuckt in diesen warmen Sommermonaten vergleichsweise wenig Rauch aus. Und wenn die Bauarbeiten zu seinen Füßen fertig sind, soll dem Lulatsch ganz die Puste ausgehen.
Noch rollen täglich Züge aus dem Raum Leipzig hierher, um das Kraftwerk mit Braunkohle zu füttern: Tag für Tag rund 2000 Tonnen im Sommer, 4500 Tonnen im Winter. Das Kraftwerk ist das Herz der Wärme- und Stromversorgung von Ostdeutschlands viertgrößter Stadt mit 247.000 Einwohnern und vielen Unternehmen.
Doch schon 2023 soll Schluss sein mit der klimaschädlichen Kohleverfeuerung. Auf fossile Energieträger wird trotzdem vorerst nicht verzichtet.
So farbenfroh der Schornstein von dem französischen Künstler Daniel Buren gestaltet wurde, mit Blick auf die Klimabilanz bleibt er eine Dreckschleuder. Knapp eine Million Tonnen CO2 bläst das Kraftwerk, das 95 Prozent der Fernwärme liefert, nach Angaben des Energieversorgers Eins Jahr für Jahr in die Luft. Damit gilt es als größter Emittent des klimaschädlichen Gases in der Region.
Um das zu ändern hat Eins ein Investitionsprogramm von 400 Millionen Euro gestartet. Das neue Herz auf dem Kraftwerksgelände Nord sind sieben Gasmotoren, die schon an Ort und Stelle stehen, aber noch von Planen verdeckt sind. Bauarbeiter sind dabei, zwei Schornsteine auf dem Neubau zu errichten. Die Arbeiten hinken mehrere Monate dem ursprünglichen Plan hinterher, wie Projektleiter Tino Schlemmer einräumt.
Lulatsch bleibt Chemnitz als Kunstwerk erhalten
"Die Netzschaltung muss bis Ende 2022 kommen. Das ist eine Herausforderung aber machbar." Zum Gesamtprojekt gehören weitere Vorhaben wie ein Kraftwerk mit fünf Gasmotoren in Altchemnitz, der Bau von Heißwassererzeugern und eine Optimierung des Fernwärmenetzes.
Ein Ende fossiler Energieträger ist derweil in Chemnitz nicht in Sicht. Pläne für ein mit Holz betriebenes Heizkraftwerk im Stadtteil Siegmar wurden ad acta gelegt, weil sich die Kosten laut Eins als viel zu hoch erwiesen.
Mit den Kraftwerksneubauten sind die Tage der beiden alten Kohleblöcke in Chemnitz gezählt. Und veränderte Rahmenbedingungen setzen die Nutzung von Braunkohle zusätzlich unter Druck. Sollte den Plänen nach Block B 2023 und Block C Ende 2029 abgeschaltet werden, wird nun das komplette Aus in zwei Jahren erwogen.
Als Grund nennt das Unternehmen eine "dramatische Entwicklung" bei den CO2-Preisen. Die Entscheidung über ein vorgezogenes Aus für die Braunkohle-Verfeuerung obliegt nun dem Aufsichtsrat.
Doch egal wann der Kohleofen im Chemnitzer Heizkraftwerk Nord erkalten wird - als Kunstwerk bleibt dessen Schlot erhalten, wie der Betreiber versichert. Vor allem nachts, wenn er von LED-Leuchten in Szene gesetzt wird, strahlt die Esse weithin sichtbar in sieben Farben wie Erdbeerrot, Himmelblau und Melonengelb - künftig dann aber nicht mehr mit Strom aus Braunkohle.
Titelfoto: Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa