Seit 60 Jahren auf dem Tanzparkett: Jürgen Schimmel ist noch lange nicht müde
Chemnitz - Ein Leben im Dreivierteltakt: Jürgen Schimmel (77) ist seit 60 Jahren Tanzlehrer und hat - hochgerechnet - einer ganzen Großstadt die richtigen Schritte für Walzer, Foxtrott und Tango beigebracht.
"Grob überschlagen, könnten es 300.000 Tanzschüler gewesen sein", schätzt der Senior-Chef der Tanzschule Köhler-Schimmel, der schon mit 13 Jahren als Assistent in einer Reichenbacher Tanzschule auf dem Parkett stand.
Später nahm ihn Hildegard Köhler (1918-2002) unter ihre Fittiche. "Als ich 1963 nach Chemnitz kam, gab es keine Wohnung für Zuzügler. So wohnte ich für sieben Mark pro Nacht im Hotel 'Hospitz'", erinnert sich Schimmel.
Tanzlehrer-Legende Hildegard Köhler blieb zeitlebens "die Chefin" - augenzwinkernd, als beide nicht nur auf dem Parkett ein Paar waren. Unterricht bei Köhler-Schimmel hieß bis zur Wende: Röcke für die Damen, Jeans-Verbot für Herren.
"Es war strenger. Aber in anderer Garderobe bewegen sich die jungen Leute gleich ganz anders. Heute kommen viele zu mir und schwärmen von ihrer Tanzstunden-Zeit, selbst wenn sie mal einen Rüffel eingesteckt haben."
Als wandelnde Institution des Gesellschaftstanzes ist Jürgen Schimmel weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt: "Ich war schon zu DDR-Zeiten internationaler Wertungsrichter und bin auch nach Österreich und Westdeutschland gereist."
Branchen-Größen wie Joachim Llambi (54) kennt Schimmel schon seit den 1980er-Jahren: "Ich habe ihn regelmäßig bewertet, als er noch Turniertänzer war. Und ich weiß noch genau, wie er sich ärgerte, als ihn beim ersten Turnier in der Stadthalle ein Chemnitzer Tanzpaar auf den dritten Platz verdrängte."
Die internationalen Kontakte brachten dem Chemnitzer Ende der 80er-Jahre auch einen skurrilen Job in Westberlin ein: "Die Berliner S-Bahn war ein Ostbetrieb, der auch Westberliner beschäftigte und sie medizinisch und kulturell betreute. Als die Westangestellten tanzen lernen wollten, bin ich alle zwei Wochen für einen Kurs zum Bahnhof 'Gleisdreick' gefahren."
Ein Ende des Berufslebens ist auch nach 60 Jahren nicht in Sicht: "Kurse zu geben, macht mir nach wie vor Freude. Selbst im Urlaub muss ich wissen, was in der Tanzschule los ist, sonst fühle ich mich nicht wohl."