Chemnitz fährt plötzlich voll auf Fahrräder ab!
Chemnitz - Dank Corona gibt es auch in Chemnitz derzeit einen regelrechten Fahrrad-Boom. Mehr Drahtesel als üblich werden verkauft oder zur Reparatur gebracht. Mitarbeiter von Fahrradläden und -werkstätten müssen deshalb viele Überstunden schieben.
Zum Beispiel Heiko Mette (43), Inhaber des Radsporthaus Balance: "Nach Ostern ist vor allem die gute Nachfrage an Kinderfahrrädern ungewöhnlich."
Aber auch E-Bikes oder Mountainbikes würden derzeit sehr gut weggehen. In den Laden dürfen derzeit maximal drei Kunden gleichzeitig - natürlich mit Mundschutz.
"Der Verkauf von Ersatzteilen erfolgt über ein Fenster." Hinzu kommen Reparaturen und Lieferungen, teilweise bis abends.
Auch Matthias Müller (43), Leiter der Werkstatt "Trittfrequenz", kann sich derzeit vor Aufträgen kaum retten.
"Ich schraube jeden Tag von 7 bis 19 Uhr. Viele Leute bringen ihr Fahrrad zur Durchsicht. Ich denke, dass sie mehr Zeit haben als sonst. Hinzu kommt, dass jetzt die Saison losgeht."
Silvio Knop (39) von der Bike-Scheune Neukirchen sagt: "Einen solchen Andrang wie jetzt habe ich noch nie erlebt." Andreas Göbel (47) vom Radstop Kappler Drehe bestätigt: "Ich komme im Moment kaum noch zum Durchatmen. Einige möchten auch Fahrten in Bus und Straßenbahn vermeiden."
Thomas Lörinczy (49) vom ADFC Chemnitz freut sich über den Trend: "Wir fordern eine Mobilprämie für alle, sodass zum Beispiel auch der Kauf von E-Bikes gefördert wird. Davon würden auch die Fahrradläden profitieren."
... aber ein Radkonzept hat Chemnitz immer noch nicht
Beim Radverkehr in Chemnitz sieht die Stadt Nachholbedarf. Daran ändert auch der Zweirad-Boom dieses Frühjahrs nichts.
"Viele Chemnitzer nutzen das Fahrrad in der Freizeit, aber nicht im Alltag. Sie müssen in 'Probedurchgängen' ihre Alltagsmobilität erfahren können. Verläuft ihre Erfahrung positiv, wird das Fahrrad verstärkt in die Alltagsmobilität eingebunden", sagt Verkehrsplanungsleiter Alexander Kirste vom Tiefbauamt.
Nicht jede Wegeverbindung sei optimal, das Nutzungspotenzial des Radverkehrsnetzes nicht ausgeschöpft.
Dabei sind die Probleme hinlänglich bekannt: Die Pflege von Verkehrsinfrastruktur ist deutlich unterfinanziert. Einfache Radwege sind häufig wegen umfangreicher Planung oder fehlender Fläche nicht umsetzbar.
Ampelanlagen sollen besser abgestimmt werden, um störendes Warten auf "Grün" und lange Reisezeiten zu verhindern. Da muss sich die Verwaltung noch ganz schön abstrampeln ...
Titelfoto: Uwe Meinhold