Star-Regisseur Christian Schwochow in Ex-Stasi-Zentrale: "Nicht nur Täter und Opfer"

Berlin - Wie von der DDR erzählen? Beim Campus-Kino in der früheren Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg hat Star-Regisseur Christian Schwochow (45, "Bad Banks", "Je suis Karl") am Montag einen Einblick in seine Kreativ-Werkstatt gegeben. TAG24 war dabei.

Bei sonnigem Wetter kamen am Montag viele Berliner zum Open-Air-Kino auf dem Gelände der ehemaligen Stasi-Zentrale in Lichtenberg.
Bei sonnigem Wetter kamen am Montag viele Berliner zum Open-Air-Kino auf dem Gelände der ehemaligen Stasi-Zentrale in Lichtenberg.  © TAG24

"Es war uns ein Bedürfnis zu zeigen, dass es noch andere Geschichten gibt. Nicht nur von hauptamtlichen Tätern und Opfern. Die Geschichten sind oft sehr viel subtiler und komplexer", erklärte Schwochow im Gespräch mit Daniela Münkel vom Stasi-Unterlagen-Archiv.

Das Bedürfnis nach solchen Geschichten scheint auch 35 Jahre nach dem Mauerfall groß: Bis auf den letzten Platz war das Freiluftkino an dem historischen Ort an der Ruschestraße am Montagabend gefüllt.

Gezeigt wurde der Spielfilm "Novemberkind" (2008), mit dem Christian Schwochow sein Studium an der Filmakademie Baden-Württemberg abschloss. Das Drehbuch habe er zusammen mit seiner Mutter geschrieben, verriet der Regisseur, der in Leipzig und Ost-Berlin aufgewachsen ist.

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"Novemberkind" erzählt die Geschichte von Inga - herausragend gespielt von Anna Maria Mühe (39) -, die in Malchow (Mecklenburg-Vorpommern) eine Leihbücherei betreibt. Ingas Leben gerät aus den Fugen, als der Literaturprofessor Robert (Ulrich Matthes, 65) ihr eröffnet, dass ihre Mutter nicht, wie gedacht, in der Ostsee ertrunken ist, sondern zusammen mit dem russischen Deserteur Juri (Jevgenij Sitochin, 65) in den Westen geflohen ist. Eine Spurensuche beginnt.

Heute ist Christian Schwochow ein international gefeierter Filmemacher, drehte etwa sieben Folgen der erfolgreichen Netflix-Serie "The Crown". Dennoch begreift der frühere Journalist auch sein eigenes Werk als eine solche Spurensuche. In den Alltagsgeschichten seiner Protagonisten versucht Schwochow seine untergegangene Heimat und ihre Menschen besser zu verstehen.

Nach der Filmvorführung sprach Christian Schwochow mit Daniela Münkel vom Stasi-Unterlagen-Archiv.
Nach der Filmvorführung sprach Christian Schwochow mit Daniela Münkel vom Stasi-Unterlagen-Archiv.  © TAG24
Der Regisseur drehte für Netflix einige Folgen der Erfolgsserie "The Crown".
Der Regisseur drehte für Netflix einige Folgen der Erfolgsserie "The Crown".  © Gerald Matzka/dpa

Regisseur Christian Schwochow: "Nicht nur die Grautöne, auch die Farben"

Die Stuhlreihen waren am Abend gut gefüllt.
Die Stuhlreihen waren am Abend gut gefüllt.  © TAG24

"Ich wollte dahinter schauen: Was bewegt Menschen dazu, sich auf eine bestimmte Weise zu verhalten in einem System. Das ist etwas, das ich mich auch heute frage", sagte der 45-Jährige.

Trotz größerer Freiheiten gebe es auch heute noch "sehr viel Schweigen in Familien und an Arbeitsplätzen". Oft mache man Dinge einfach so mit, "weil man keinen anderen Ausweg kennt".

Vor den Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen ist plumpes Ost-Bashing teils wieder en vogue. Eine differenzierte Stimme wie die von Christian Schwochow ist da wohltuend. "Ich will nicht nur die Grautöne zeigen, sondern auch die Farben", betonte der Vater zweier Töchter.

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Das Campus-Kino in der ehemaligen Stasi-Zentrale findet in diesem Jahr bereits zum fünften Mal statt. An zwölf Abenden standen in den vergangenen vier Wochen Filme zur Staatssicherheit, zum Alltag in der DDR sowie zur deutschen Teilung und ihrer Aufarbeitung auf dem Programm.

Den Abschluss bildet am Donnerstag, 29. August, der Spielfilm "In Zeiten des abnehmenden Lichts" (2017, Regie: Matti Geschonneck) mit Bruno Ganz (1941-2019) in der Hauptrolle. Beginn ist um 19.30 Uhr, der Eintritt ist frei.

Titelfoto: TAG24, Gerald Matzka/dpa (Bildmontage)

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