Rentnerin aus Berlin bekämpft Rassisten mit der Spraydose
Berlin - Irmela Mensah-Schramm hat kein Verständnis für rechte Parolen. Die 78-jährige Berlinerin greift im Zweifelsfall zu Nagellackentferner und Spraydose. Notfalls hilft auch ihr Ceranfeldschaber.
Als sich die weißhaarige ältere Dame in Berlin-Wannsee einem Fußgängertunnel nähert, werden ihre Schritte langsamer.
Irmela Mensah-Schramm prüft im Vorbeigehen, was an den Betonwänden links und rechts zu lesen ist. Sie sucht nach rechtsextremistischen Sprüchen oder rassistischen Parolen.
"FCK Antifa" ist an der rechten Tunnelwand zu lesen. Die Berlinerin stoppt, macht mit ihrer kleinen Digitalkamera ein Foto und holt eine Spraydose aus dem Stoffbeutel. Nur eine halbe Minute später ist "Für Antifa" an der Wand zu lesen.
Seit fast vier Jahrzehnten engagiert sich die Menschenrechtsaktivistin gegen rechte Propaganda und Hassbekundungen, kratzt Aufkleber von Neonazis von Laternenpfählen oder übermalt rechte Sprüche.
Für eine 78-Jährige ist Irmela Mensah-Schramm ziemlich viel unterwegs - quer durch ganz Deutschland und auch im benachbarten Ausland. "Wenn ich gezielt losziehe, habe ich immer eine Spraydose dabei", erzählt sie. Aceton, also Nagellackentferner, und einen Ceranfeldschaber zum Abkratzen von Aufklebern nimmt sie praktisch immer mit, wenn sie aus dem Haus geht.
"'Freiheit für Rudolf Hess' - das war der erste Aufkleber, den ich entfernt habe", sagt sie. Das war 1986, als die gebürtige Stuttgarterin, die lange als Erzieherin und Heilpädagogische Lehrkraft gearbeitet hat, gerade aus Berlin-Wilmersdorf nach Wannsee gezogen war.
95.400 Aufkleber mit rechten Parolen entfernt
"Ich bin jetzt auf einem Stand von über 95.400 Aufklebern", lautet ihre beachtliche Bilanz. "Ich zähle aber erst seit 3. Januar 2007."
Sämtliche Aktivitäten dokumentiert sie im Bild - 149 Leitz-Ordner sind inzwischen voll und stehen in ihrem Schlafzimmer. "In der Woche bin ich garantiert viermal weg", erzählt die Seniorin, die für ihr Engagement zahlreiche Auszeichnungen bekommen hat.
Auf einer Deutschlandkarte hat sie mit roten Punkten die Orte markiert, in denen sie auf ihrer Mission schon gewesen ist: dicht an dicht von Schleswig-Holstein bis Bayern. "Regelmäßig bin ich in Vetschau im Spreewald, in Königs Wusterhausen, Rathenow und in Berlin zum Beispiel in Rudow und Frohnau."
Aber es gibt auch unangenehme Erlebnisse: bedrohliche Situationen oder etliche Anzeigen, die gegen sie gestellt wurden. Manchmal trifft sie auch auf diejenigen, deren Parolen sie üblicherweise beseitigt.
"Am U-Bahnhof Rudow in Neukölln war mal eine Gruppe Nazis, und es gab auch frische Aufkleber. Ich bin dabei, die abzumachen, da kommt ein Nazi und klebt einen neuen ran", erzählt sie. "Da habe ich gesagt: 'Der kommt auch ab.' Da war der ganz baff."
Titelfoto: Christophe Gateau/dpa