Kult-Rocker Westernhagen kritisiert heutige Gesellschaft in Bezug auf Nazi-Zeit und DDR
Berlin - Der Rockmusiker Marius Müller-Westernhagen (70) sieht eine deutliche Radikalisierung der Gesellschaft.
"Das ist eine Entwicklung, die weltweit passiert. Das ist ganz furchtbar", sagte Müller-Westernhagen der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
Er sei sehr stolz darauf gewesen, dass die Bundesrepublik ein Land war, "das diese Zeit unter Hitler nicht hat vergessen lassen". Es habe immer viel Aufarbeitung der Nazi-Zeit gegeben.
"Uns war das allen bewusst, in der Schule, überall." Nun werde das über die vielen Jahre "dann doch verschüttet, die Erinnerung verblasst".
Ein weiteres Beispiel sei für ihn 30 Jahre nach dem Fall der Mauer der Umgang mit der DDR-Realität, wenn "Leute schon vergessen haben, wie ihre Situation vorher war" und dass sie die Wiedervereinigung gewollt hätten.
"Für meine Begriffe ist das die Reaktion auf eine sehr lange Entwicklung bei den Menschen, nur noch an sich zu denken und nicht mehr in gesellschaftlichen Dimensionen zu denken, was wichtig ist." Menschen würden immer unpolitischer, auf der anderen Seite aber immer gieriger.
Auch westliche Demokratien seien nicht sicher vor neuen Diktaturen, sagte Müller-Westernhagen. "Ich behaupte das aus dem einfachen Grunde, weil ich weiß, wie Menschen reagieren, wenn sie einen auserkoren haben und den nun - koste es was es wolle - vergöttern."
Müller-Westernhagen verwies auf eigene Erfahrungen bei seinen früheren Stadion-Konzerten mit riesigem Publikum. "Ich habe gespielt vor 120.000 Leuten, wo ich sagen konnte: Still! Und dann war still." Die Skepsis gegenüber Menschen sei verloren gegangen, sie müssten keine Inhalte mehr bieten.
Titelfoto: Christoph Soeder/dpa