"Nicht leicht, seine Freunde zu verraten": Stasi-Drama auf den Spuren einer Überzeugungstäterin
Berlin - Das Theaterstück "Monika Haeger: Inside Stasi" bringt die Bekenntnisse einer Stasi-Agentin auf die Bühne. 35 Jahre nach dem Mauerfall kehrt Nicole Heinrichs Doku-Drama an den Ort zurück, an dem das Unrecht geplant und verwaltet wurde. TAG24 hat sich die Inszenierung in der früheren Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg angeschaut.
Haus 22, großer Saal: Wo sich an diesem Abend nach und nach die Reihen vor der Bühne füllen, hatte auch Monika Haeger (1945-2006) einst ihren großen Auftritt. Genau hier schüttelte die Spionin Hände von Stasi-Größen und ließ sich zu ihrem unermüdlichen Einsatz gegen die Feinde des Sozialismus beglückwünschen.
Vor solch einer Kulisse braucht es nicht viel, um das Berliner Publikum in die beklemmend-trüben Tage der Diktatur zu versetzen. Das Bühnenbild beschränkt sich auf wenige Requisiten: Dunkle Möbel, DDR-Flagge, ein Plakat von Erich Honecker (1912-1994), ein altes Tonbandgerät.
Monika Haeger (gespielt von Anja Kimmelmann) betritt die Szene. Die frühere informelle Stasi-Mitarbeiterin will sich erklären, will begründen, warum sie über Jahre den eigenen Freundeskreis ausspionierte und ans Messer lieferte.
"In Ostberlin lebt eine Frau, die ich mal belogen habe", lässt die Regisseurin ihre Protagonistin zu Beginn sagen. Entlang der Selbstauskünfte der damaligen Stasi-Agentin folgt das Drama von Nicole Heinrich den Spuren eines von Widersprüchen geprägten Lebens.
"Monika Haeger: Inside Stasi" in Berlin: Was trieb die Spionin an?
Getragen wird das Ein-Personen-Stück über 90 Minuten von der Präsenz und der fulminanten Darbietung Anja Kimmelmanns. Galt die historische Monika Haeger als eher unscheinbar, entwirft die Schauspielerin ihre Figur als grandios-gerissene Vorkämpferin des Sozialismus - und lässt die Zuschauer ständig zwischen Abscheu und Faszination schwanken.
In "Monika Haeger: Inside Stasi" erzählt Nicole Heinrich die Geschichte einer Frau, die von der eigenen Mutter verstoßen wird und fortan in den berüchtigten Kinderheimen der DDR die Parteilinie eingeimpft bekommt.
Später macht Haeger selbst bei der Stasi Karriere. Sie schafft es, sich in den Kreis um Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley (1945-2010) einzuschleusen und kann die Behörden auf diese Weise zuverlässig mit Informationen über die Aktivitäten der oppositionellen "Frauen für den Frieden" beliefern.
"Es ist nicht leicht, seine Freunde zu verraten, aber es musste sein", sagt die Monika Haeger des Stücks an einer Stelle. An einer anderen heißt es: "Wenn man auf der guten Seite steht, ist alles gerechtfertigt." Im unerschütterlichen Glaube an die vermeintlich gerechte Sache wird aus dem einstigen Opfer des Regimes eine Gehilfin des Unrechts. Regisseurin Nicole Heinrich nennt das die "Haeger-Haltung".
Regisseurin Nicole Heinrich: Historischer Theaterstoff wirft aktuelle Fragen auf
Immer wieder unterbrechen Tonbandaufnahmen aus dem Off das monologische Bühnengeschehen. In den teils verstörenden Schilderungen von Sammellagern, willkürlichen Verhaftungen und Folter halten die Gespenster vergangenen Unrechts Einzug in das Drama.
Die Zeitzeugenberichte setzen einen Kontrapunkt zu Haegers unkritischer DDR-Apologie und basieren auf Gesprächen, die Nicole Heinrich während ihrer dreijährigen Recherche mit echten Stasi-Opfern geführt hat.
Dennoch wäre es falsch, "Monika Haeger: Inside Stasi" als reine Geschichtsstunde misszuverstehen oder auf die Lebensbeichte einer einzelnen Frau zu reduzieren, die sich zum Werkzeug institutioneller Gewalt machen ließ.
Wie weit bin ich bereit für meine Überzeugungen zu gehen? In dieser Kernfrage bleibt Heinrichs Doku-Drama unbedingt gegenwärtig. Folgerichtig enthält das Stück auch Einspielungen, in denen aktuelle Probleme diskutiert werden. Die "Haeger-Haltung" - so die Überzeugung der Regisseurin - ist uns allen nicht fremd, ganz unabhängig von politischen Positionen.
Nach dem Schlussapplaus hatte das Berliner Publikum Gelegenheit, mit Nicole Heinrich und Anja Kimmelmann über das Stück und die darin aufgeworfenen Fragen ins Gespräch zu kommen. Wer noch mehr wissen will, findet weitere Informationen auf nicoleheinrich.com.
Titelfoto: Katia Costa