Elton John in Berlin: Pop-Legende begeistert auf Abschieds-Konzert
Von Andreas Weihs
Berlin - Seit fünf Jahren schon ist Elton John (76) mit seiner Abschieds-Tour auf der ganzen Welt unterwegs. Am Montagabend gab der Popstar mit seiner Band das 300. Konzert dieser Reise in Berlin.
Eine scheinbar unendliche Geschichte geht nun doch zu Ende: Nach mehr als 50 Jahren im globalen Musikzirkus geht mit Elton John einer der erfolgreichsten Solokünstler der populären Musik in seinen Ruhestand. Aber nicht, ohne sich würdig von seinen Fans zu verabschieden.
Seine "Farewell Yellow Brick Road"-Tour führt ihn, unterbrochen durch die Pandemie und eine Hüftoperation, nun schon seit fünf Jahren rund um die Welt. In Berlin standen gleich drei Konzerte in der Mercedes-Benz-Arena auf dem Programm.
Pünktlich 20 Uhr tönen die ersten Akkorde von "Bennie & The Jets" durch die Konzerthalle und saugen damit auch die letzten Besucher von den Gängen hinein in die Show. Dann reiht sich ein Hit an den nächsten.
Elton John kann da aus dem Vollen schöpfen, tut es aber mit Abstrichen. Nur wenige Songs auf der Setliste stammen aus Alben nach 1975. So fehlen wichtige Lieder wie "Nikita", immerhin sein erster britischer Nummer-eins-Hit, oder "Sacrifice". Und auch den "König der Löwen" ließ er links liegen.
Dennoch ist die gebotene Werkschau beeindruckend: "Tiny Dancer", "Take Me To The Pilot", der unverzichtbare "Crocodile Rock" und der selten gespielte "Border Song", Aretha Franklin gewidmet.
Elton John verabschiedet sich in Berlin und bringt Fans zum Toben
Keiner der Songs klingt wie auf den Alben, die Musiker improvisieren reichlich und sind stets für eine Überraschung gut.
Gleich drei Musiker seiner exzellenten Band sind hinter Schlagwerken platziert, bedienen Trommeln, Becken und Congas - die Basis für den gewaltigen Sound, der zweieinhalb Stunden von der Bühne über die Fans im Saal hereinbricht.
Selbst die Balladen werden zum "Kracher". Nicht nur "Levon" entwickelt sich zu einer wahren Sound-Orgie.
Besonders Percussionist Ray Cooper (75) und Gitarrist Davey Johnstone (72), die schon seit den Siebzigern mit dem Mann am Klavier arbeiten, bringen sich exponiert in Stellung und werden mit frenetischem Beifall bedacht, sorgen sie doch maßgeblich für den im positiven Sinne brachialen Sound an diesem Abend.
Immer wieder animiert der "Rocketman" sein Publikum, der Arm mit dem Zeigefinger nach vorn und auch die Leute auf den hinteren Rängen nicht vergessend. Die Zuhörer toben, stehen auf und vereinzelt wird sogar getanzt.
Immer wieder tosender Applaus, den der Sänger huldvoll entgegennimmt, indem er mit ausgebreiteten Armen an der Bühnenkante entlang schreitet.
Elton John beeindruckt in der Hauptstadt mit ausgefeilter Bühnenshow
Elton John lässt seine Musik für sich wirken, aber ein bisschen Spaß muss sein. So baute er sich eine beeindruckende Bühne, ausgestattet mit zahlreichen Lichtern und einer flimmernden Videowand um sein Klavier herum, und wie von Geisterhand bewegt fährt das Klavier samt Sänger bei "Candle in the Wind" von der einen zur anderen Bühnenseite und dreht sich dabei.
Hinter ihm dient die Leinwand als Fotoalbum, zu sehen sind maßgeschneiderte Visuals, Bilder aus seiner 50-jährigen unglaublichen Karriere, manches etwas zu bunt, manches düster, auch Verwirrendes ist da zu sehen und Bilder aus seinem Kinofilm. Doch das alles ist Elton, der vor allem in seiner Anfangszeit gern einmal übertrieb, mit schrillen Kostümen und krassen Brillen.
Für die Zugaben erscheint Sir Elton im Bademantel und einer neuen Brille. Jetzt kommt auch der aktuellste Song der Setlist und wohl sein erfolgreichster auf einer Spotify-Playlist: "Cold Heart".
Natürlich drückt er keine Tasten zum Discobeat des Playbacks, animiert stattdessen die Leute im Saal, und auf der Leinwand zwitschert dazu Dua Lipa (27). Doch dann wird es noch einmal hitlastig mit "Your Song" und schließlich der Rausschmeißer und Tour-Namensgeber "Goodbye Yellow Brick Road", bevor der Mann am Klavier in die Leinwand hineinfährt und sich für immer von seinem Live-Publikum verabschiedet.
Geblieben ist die Erinnerung an eine unglaubliche, energiegeladene Show, an eine sicht- und hörbare Spielfreude, eine überzeugende Performance mit einer auch mit 76 Jahren immer noch grandiosen Gesangsstimme und einer Präsenz, die keinen Zweifel aufkommen lässt, wer hier immer noch die Riege anführt.
Die Messlatte für alles, was danach kommt, liegt hoch, nur wenige dürften sie erreichen. Goodbye, Elton.
Titelfoto: Andreas Weihs