Von Verena Schmitt-Roschmann
Berlin - Margot Friedländer (103) ist eine der Letzten, die den Holocaust überlebt haben und noch davon berichten können.
"Für mich ist es, als ob es gestern wäre", sagt die 103-Jährige, wenn man sie nach der Befreiung des nationalsozialistischen Vernichtungslagers Auschwitz vor 80 Jahren fragt. "Wir haben es erlebt. Wir sind, wir wissen, was, wie es war."
Sie selbst war damals Gefangene im KZ Theresienstadt. Ihre Mutter und ihr Bruder wurden in Auschwitz ermordet. "Ich habe meine ganze Familie verloren", sagt die zerbrechlich wirkende kleine Frau in ihrer Berliner Wohnung. Auf dem Tisch hinter ihr stehen Preise für ihre Versöhnungsarbeit, ein "Bambi" für ihren Mut, Fotos mit Politikern, ein gerahmtes Titelbild von ihr auf der "Vogue".
Friedländer hat ihre Geschichte oft erzählt, seit sie mit fast 90 Jahren aus dem amerikanischen Exil in ihre Heimat Berlin zurückkehrte. Sie will es weiterhin tun, auch wenn ihre Stimme brüchig wird.
Holocaust: Mehr als eine Million Menschen getötet
Am 27. Januar 1945 erreichten sowjetische Soldaten das deutsche Vernichtungslager Auschwitz im von der Wehrmacht besetzten Polen. Sie fanden etwa 7000 Überlebende. 1,3 Millionen waren in das Lager verschleppt worden.
Etwa 1,1 Millionen von ihnen wurden getötet - ermordet in Gaskammern oder erschossen oder zugrunde gerichtet durch Arbeit, Hunger, Krankheit. Unter den Ermordeten waren eine Million Juden. Diese Fakten listet die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau auf. Zum 80. Jahrestag wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (69, SPD) dort wieder an sie erinnern.
Und doch sind sie kaum zu erfassen im Jahr 2025. "Mehr als eine Million Tote in Auschwitz, ungefähr sechs Millionen Tote des Holocaust: Das sind Zahlen eines monströsen Verbrechens, mit denen niemand etwas anfangen kann", weiß Andrea Löw, Leiterin des Münchner Zentrums für Holocaust-Studien.
Verstehen können Nachgeborene vielleicht wirklich nur einzelne Schicksale wie das der Berlinerin Margot Friedländer, die als junge Frau geächtet, verhaftet und verschleppt wurde. "Das waren Menschen wie Sie und ich, die aus ihrem Leben gerissen wurden", sagt Löw. "Diese Geschichten müssen wir erzählen."