Erfolgscoach spricht über seine Drogen-Erfahrungen: "Es war am Anfang tatsächlich spaßig"
Berlin - Erfolgscoaches: Es gibt viele von ihnen, zumal der Begriff nicht geschützt ist. Doch Bernd Kiesewetter (55) verrät im Interview mit TAG24, was ihn von der Masse unterscheidet, und spricht ganz offen über seine dunkelsten Kapitel.
Der Berliner wird als Erfolgscoach Nr.1 bezeichnet. Er begleitet Selbstständige, Unternehmer und Führungskräfte aus Politik und Wirtschaft auf ihrem Weg zum Erfolg.
Groß, muskulös, mit breiten Schultern ist Bernd eine imposante Erscheinung. Doch hinter der markanten Fassade verbirgt sich ein sensibler Mann, der einige Krisen in seinem Leben gemeistert hat.
Mit 30 Jahren war er pleite. Zehn Jahre später dann kokainabhängig und alkoholsüchtig. Sein Vater enterbte ihn. Bernd stand vor dem Scherbenhaufen seines Lebens, bis er die Reißleine zog.
Heute spricht Bernd ganz offen über seine dunklen Kapitel. Schließlich gehe es vielen Menschen so. "Ich bin zwar irgendwie Selfmade-Mensch mit Unternehmergeist, aber ich bin vielleicht nicht der Klassiker, der irgendwie in jungen Jahren durchgestartet ist und dann unaufhaltsam unterwegs war an die Spitze. In mein Leben bin ich eigentlich immer wieder auf die Schnauze gefallen", berichtet Bernd.
Raus aus der Opferrolle
TAG24: Was war der Auslöser für Deine Drogensucht?
Bernd Kiesewetter: "Wie viele Jugendliche habe ich halt Alkohol und Haschisch konsumiert. Und eigentlich ich bin sehr früh gewarnt worden durch eine kleine LSD-Pille. Überall waren bunte Lichter und ich habe gebetet, dass es aufhört und ich einschlafen kann. Mit Kokain hatte ich nie wirklich was zu tun, bis sich zig Jahre später eine Gelegenheit ergab.
Jemand, den ich aus Schultagen kannte, hat vor mir Kokain konsumiert und ich war neugierig. 'Jetzt erklär mir doch mal, was macht Kokain mit Dir?' Ein Konsument kann ja nie erklären, was die Droge wirklich mit einem macht. Dieses Gefühl kann keiner wiedergeben. Und das führte dazu, dass ich es dann selber probiert habe. Es war am Anfang tatsächlich spaßig. Ich war von Übermut getrieben, obwohl ich schon fast 40 war. Am Anfang fand ich das Gefühl ganz furchtbar, doch mit der Zeit hatte ich Zugriff auf Areale in meinem Gehirn, an die ich vorher nie herangekommen bin.
Da ich schon immer gerne und viel Alkohol getrunken habe und in der Kombination mit Kokain nicht betrunken wurde, konnte ich halt noch mehr trinken. Damit war der Party-Modus sozusagen abgesegnet. Und dann wurden die Abstände zum Konsum immer kürzer, bis ich die Kontrolle verloren habe. Es hat Spaß gemacht, aber ich habe tatsächlich nicht gemerkt, dass ich echt asozial geworden bin, wenn man mal so auf den Punkt bringen darf."
TAG24: Wann hast Du die Notbremse gezogen?
Bernd Kiesewetter: "Es kam der Moment, als ich begriffen habe, dass ich in dieser Opferrolle gelandet bin und nicht mehr über mein Leben bestimme. Ich habe meine Tochter enttäuscht und meine Familie mal wieder vor den Kopf gestoßen. Anstatt sie wie verabredet zum Flughafen zu fahren, bin ich für Tage in Bars versackt und geriet in eine schwierige Situation, aus der ich fast nicht mehr herausgekommen wäre. In meinem schlechten Zustand habe ich begriffen: 'Okay, so funktioniert es jetzt nicht mehr, Du kannst so nicht mehr weitermachen. Du musst jetzt was ändern, sonst bist Du morgen entweder tot oder landest unter einer Brücke oder was auch immer.' Meine Frau war an dem Punkt, wo sie sagte, mir nicht mehr helfen zu können, und die Kinder schützen müsse. Ich habe mir dann eine ambulante Drogentherapie gesucht, für die ich heute noch ehrenamtlich tätig bin. Mit der Sucht anderer regelmäßig konfrontiert zu werden, hilft mir dabei, nicht rückfällig zu werden. Das Leben ist zu kurz, um Fehler zu wiederholen. Mittlerweile bin ich seit zehn Jahren clean."
TAG24: Von wem hattest Du die größte Unterstützung bei der Suchtbekämpfung?
"Na ja, die größte Unterstützung hatte ich von meiner Familie, also von meiner Frau und von meinen Kindern. Meine Kinder haben mir sofort wieder Vertrauen geschenkt in dieser desolaten Situation. Aber ohne die ambulante Therapie hätte ich es wohl nicht geschafft. Für mich war zum Beispiel ein Durchbruch, als ich gemerkt habe, ich bin nicht allein mit dem Problem. Ich kam mir vor wie ein Idiot, der mit der Droge nicht umgehen kann. Vor der Therapie versuchte ich mich selbst auf Kurs zu bringen: Ich habe mir einen Hund angeschafft, ein Motorrad gekauft und all diese Dinge, um mich irgendwie wieder auf den geraden Weg zu bringen. Aber dafür ist viel mehr notwendig."
Bernd Kiesewetter: "Ich kann arm sein, aber ich muss Freude haben"
Der wissbegierige Erfolgscoach geht den Dingen auf den Grund
TAG24: Was hat Dich dazu bewogen, Coach zu sein?
Bernd Kiesewetter: "Ich habe insbesondere von meiner Mutter sehr viel Kraft mit auf den Weg bekommen. Ich sage immer, ich bin wie Obelix, der in den Zaubertrank gefallen ist. Ihre Energie und Positivität haben mir geholfen, diese ganzen Kapriolen irgendwie zu überstehen. Und irgendwann habe ich gedacht: 'Okay, das hat jetzt keinen Sinn.' Wir wollen nicht sagen, dass das irgendwie Sinn ergeben hat, sondern wir geben dem Ganzen im Nachhinein Sinn. Ich spreche offen über all diese törichten Dinge, die ich gemacht habe, um anderen Menschen Mut zu machen und Vorbild zu sein. Dann erscheinen eigene Problem vielleicht nicht mehr so riesengroß und dramatisch und können leichter bewältigt werden."
TAG24: Was unterscheidet Dich von den anderen Coaches?
Bernd Kiesewetter: "Ich habe gar keine klassische Coaching-Ausbildung, weil mir das immer zu langsam und starr war. Die NLP-Ausbildung habe ich damals zum Beispiel mit echten Experten an der Seite im Schnelldurchlauf absolviert. Ich bediene das Thema Coaching im Prinzip schon seit jungen Jahren, nur dass es da noch nicht so hieß. Damals schon habe ich mich mit Psychologie und dem menschlichen Verhalten auseinandergesetzt, Bücher gelesen, Seminare besucht usw. Zudem habe ich den Vorteil der Empathie, der guten Energie und bin immer lösungs- bzw. ergebnisorientiert, sodass ich sehr schnell Leuten damit helfen kann. Die Menschen sind ja total unterschiedlich. Der eine braucht einen kleinen Schubs, der andere ein bisschen Druck und ich kann meistens innerhalb von Sekunden irgendwie die Stelle finden, wo ich dem anderen helfen und ihn für den nächsten Schritt vorbereiten kann.
Wir brauchen viele Coaches, die die Leute auf einem Gebiet, von dem sie was verstehen, begleiten. Mein Lieblingsbeispiel ist immer der Obdachlose, der es von der Straße geschafft hat. Er ist für die Obdachlosen der beste Coach, weil er ihnen glaubwürdig weiterhelfen kann, wie man da rauskommt, das kann kein anderer so gut wie er. Aber der soll dann bitte nicht anfangen, den Gesundheitsberater oder Finanzberater zu machen.
Und meine Stärke ist die, dass ich 35 Jahre Unternehmertum hinter mir habe. Ich habe in der Behörde gearbeitet, ich habe für große Konzerne sowie kleine und mittelständische Unternehmen gearbeitet, worunter auch meine eigenen waren. In meiner Hochphase hatte ich 150 Festangestellte. Zudem komme ich aus dem Finanzwesen.
Ich gehe den Dingen gern auf den Grund. Dadurch habe ich sehr viel Kenntnisse in vielen verschiedenen Bereichen sammeln können, im unternehmerischen wie finanziellen und organisatorischen Kommunikationsbereich. Ich sage immer, ich bin sehr breit aufgestellt, was mein Wissen betrifft, aber deswegen nicht weniger tiefgründig."
Titelfoto: Ben de Biel (Bildmontage)