Diese Mythen über Haltbarkeit sind totaler Quatsch
Dresden - Jeden Tag landen Lebensmittel und damit bares Geld in der Tonne. Pro Jahr und Kopf kosten uns diese „Abfälle“ rund 260 Euro.
Oft wird zu viel Essen eingekauft oder voreilig entsorgt. Das Mindesthaltbarkeitsdatum verführt offenbar dazu, Produkte früher auszumustern als nötig.
Es herrscht eine große Unsicherheit, gutes Essen von schlechtem zu unterscheiden. Wir klären auf: Wie lagert man am besten? Wie lange können Lebensmittel wirklich noch bedenkenlos konsumiert werden?
Tatsächlich sind viele Lebensmittel in der Regel länger essbar, als das aufgedruckte Datum angibt. Allerdings scheuen viele Verbraucher aus Vorsicht davor zurück.
Eine Studie, beauftragt vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, hat bereits 2012 herausgefunden, dass besonders viel Lebensmittel-Abfall in den Privathaushalten anfällt.
Jeder Deutsche wirft jährlich rund 82 Kilogramm Lebensmittel weg.
Dabei ist ein Joghurt, ein, zwei Wochen über dem problematischen Datum, meist immer noch gut genießbar. „Das Mindesthaltbarkeitsdatum dient der Orientierung und ist keinesfalls ein Wegwerfdatum“, erklärt Kerstin Normann (53), Leiterin des Dresdner Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamtes.
Das MHD zeige lediglich an, bis wann die Herstellerfirma garantiert, dass das Lebensmittel noch so schmeckt, riecht und aussieht wie versprochen. Vorausgesetzt, es ist originalverpackt und wurde richtig gelagert.
Anders das Verbrauchsdatum: Es gilt für sehr leicht verderbliche Lebensmittel wie zum Beispiel Hackfleisch. Laut dem Fachdienst AID müssen die Verpackungen die Aufschrift „zu verbrauchen bis …“ tragen. Nach Ablauf sollte das Produkt nicht mehr verwendet werden.
Um die Verschwendung zu reduzieren, will Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) das Mindesthaltbarkeitsdatum für lange haltbare Lebensmittel (wie Kaffee oder Nudeln) abschaffen.
Doch mit der Reform scheint die EU-Kommission wohl länger zu brauchen - mit Ergebnissen wird erst im nächsten Jahr gerechnet.
10 Fragen - 10 Antworten
Wie lange hält Fleisch? Bei empfindlicher Ware aus dem Kühlregal soll man die Frist nicht ausreizen. Rohes Fleisch (Bsp. Hackfleisch) ist anfällig für Keime. Daher hat es auch kein Mindesthaltbarkeitsdatum, sondern ein Verbrauchsdatum. Nach dessen Ablauf sollte das Fleisch nicht mehr gegessen werden - es droht eine Lebensmittelvergiftung. Besser am Tag des Kaufs verarbeiten. Reste von durchgebratenem Hackfleisch halten sich bis zu zwei Tage gut verpackt auf der untersten Ablagefläche im Kühlschrank.
Was tun mit verschimmelten Lebensmitteln? Je mehr Wasser ein Produkt enthält, desto schneller breiten sich Schimmelpilze aus. Sind wasserreiche Milchprodukte wie Joghurt, Quark oder Frischkäse verschimmelt - weg damit! Gleiches gilt auch für angeschimmeltes Brot. Einige Käsesorten wie Camembert oder Gorgonzola enthalten allerdings genießbare Edelschimmelkulturen.
Woran erkenne ich verdorbene Lebensmittel? Grundsätzlich gilt: Verlassen Sie sich auf Ihre eigenen Sinne. Überprüfen Sie Aussehen, Geruch und Geschmack. Weist das Lebensmittel unnatürliche Verfärbungen auf, schmeckt oder riecht es unangenehm? Bei gekühlten Fertigprodukte, wie z.B. Teigwaren oder Frikadellen, können krankmachende Keime nicht erkannt werden. Im Zweifelsfall entsorgen!
Darf ein Lebensmittel nach Ablauf des MHD noch verkauft werden? Ja, darf es. Das MHD gilt als Qualitätsversprechen des Herstellers. Der Händler sollte jedoch auf diesen Umstand hinweisen. Schließlich übernimmt er, als sogenannter Inverkehrbringer, nach Ablauf des MHD die Haftung für das Produkt. Das heißt: Der Verkäufer muss garantieren, dass seine Produkte nicht gesundheitsschädlich oder für den Verzehr ungeeignet sind.
Wie lagern Lebensmittel am besten? Wichtig ist vor allem, dass bei leicht verderblichen Waren die Kühlkette nicht unterbrochen wird. In den Kühlschrank gehören Fleisch- und Fleischwaren, Fisch- und Fischerzeugnisse, zubereitete Speisen, Milch- und Milchprodukte, Käse, Butter, Eier, Marmeladen, Dressings, Soßen. Viele Gemüsesorten wie Kartoffeln lagern am besten kühl und dunkel, jedoch nicht im Kühlschrank.
Können Bier oder Wasser schlecht werden? Fakt ist: Wasser ist an sich unbegrenzt haltbar, vorausgesetzt, die Flasche bleibt verschlossen. Die Hersteller müssen zwar ein MHD angeben, das ist aber keineswegs ein Verfallsdatum. Ein abgelaufenes Mindesthaltbarkeitsdatum besagt bei Bier wenig. Es ist selten verdorben, nur der Geschmack kann sich verändern. Eine Faustregel besagt, dass Bier noch bis zu sechs Monate nach dem MHD schmeckt.
Was tun bei Schädlingsbefall? Wenn beim Blick in die Müslipackung versponnene Klumpen entdeckt werden, ist dies ein sicheres Zeichen für Schädlingsbefall. Getreide und Getreideprodukte sind besonders gefährdet. Befallene Nahrungsmittel sollten stets entsorgt werden. Am besten lagern Gewürze, Getreide und Mehl in Schraubgläsern oder Vorratsdosen aus Kunststoff.
Wird Wein mit dem Alter besser? Meist sind Weine heute innerhalb weniger Wochen nach der Abfüllung bereits gut trinkbar. Eine längere Lagerung ist in der Regel nicht mehr vorgesehen. Die Mehrzahl der Weinkäufer haben heute gar keinen geeigneten Platz für eine längere Aufbewahrung. Untersuchungen haben ergeben, dass heute nur noch rund 5 bis 10 Prozent der Weine (die, mit einem hohen Tannin-Gehalt) von einer längeren Lagerung profitieren.
Obwohl beides verschimmelt, hat Joghurt ein MHD, Gemüse oder Obst aber nicht. Warum? Hier soll der Kunde per Augenschein entscheiden, ob die Ware noch genießbar ist. Obst und Gemüse ist nicht wie andere Lebensmittel berechenbar. Jedes Obst hat in dem Sinne seine eigene Haltbarkeit, jeder Apfel unterscheidet sich, jede Banane auch. Bei Klarsichtschalen mit empfindlichen Früchten oder auch Tomaten lohnt das Wenden: Oft schlummert Verschimmeltes unerkannt auf dem Boden.
Was gehört nicht in den Kühlschrank? Südfrüchte wie Bananen oder Ananas, Knollen wie Kartoffeln oder Lagerzwiebeln und kälteempfindliche Gemüsearten wie Zucchini und Tomaten sollten möglichst außerhalb des Kühlschranks aufbewahrt werden. Denn bei zu kühler Lagerung verfärben sich Bananen dunkel und werden schnell matschig. Ananas und Tomaten verlieren an Aroma, Zucchini werden weich und Kartoffeln wandeln ihre Stärke in Zucker um - und schmecken dann sehr süß.
Tafeln „retten“ tonnenweise
Die Tafeln gelten als Retter der weggeworfenen Lebensmittel.
Im Bemühen, die Situation von Überproduktion und Überfluss auf der einen und Hunger auf der anderen Seite zu entspannen, versorgt die Dresdner Tafel wöchentlich bis zu 12.000 Bedürftige.
Pro Jahr werden in der sächsischen Landeshauptstadt rund 2000 Tonnen Lebensmittel verteilt. Die Abgabe erfolgt gegen eine geringfügige Beteiligung an den Betriebskosten in elf Ausgabestellen.
Andreas Schönherr (41), Vorsitzender der Dresdner Tafel, hat selbst Erfahrung beim „Containern“ gemacht. Der Familienvater findet das Mindesthaltbarkeitsdatum „irreführend“.
Schönherr: „Die wenigsten vertrauen noch ihren Sinnen und denken, sie gehen ein Risiko ein.“
Dabei unterliegen die Produkte der Tafel einer strengen Risikobewertung: Ein Großteil befindet sich innerhalb des MHD, einige Lebensmittel sind ein bis fünf Tage über dem MHD.
Wo das Wegwerfen verboten ist
In Industrieländern werden zu viele Lebensmittel produziert.
Anstatt die essbaren Reste an soziale Einrichtungen weiterzugeben, zerstört der Handel alles, was nicht verkauft wird.
Doch Frankreich hat es vorgemacht: Unter Androhung hoher Strafen beschloss die Regierung unseres Nachbarlandes 2015 ein Gesetz, das Supermärkten unter Androhung hoher Strafen verbietet, Lebensmittel wegzuwerfen.
Italien zog noch im gleichen Jahr nach. Mit großer Mehrheit verabschiedeten die Abgeordneten ein Gesetz zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung, das auch das Spenden von Arzneimitteln erleichtern soll.
So fallen Reste gar nicht erst an
Die häufigsten Gründe, warum im Haushalt viele Lebensmittel weggeworfen werden, sind eine schlechte oder fehlende Planung des Einkaufs, der Mahlzeiten oder ein mangelnder Überblick über den Vorrat.
Dabei helfen ein paar Tipps, die Verschwendung zu reduzieren.
Bewusst einkaufen! Die Vielfalt in Supermärkten ist verführerisch. Schnell wandern mehr Lebensmittel in den Einkaufskorb als nötig. Vor allem Familien-Portionen und XXL-Packungen locken zwar oft mit günstigen Preisen, sind aber unterm Strich teuer, wenn ein Teil schließlich im Müll landet. Am besten erst einen Speisezettel und anschließend einen Einkaufszettel machen.
Kühlschrank optimal nutzen! „First In, First Out“-Prinzip - neu gekaufte (und damit noch länger haltbare) Lebensmittel im Kühlschrank hinter die schon vorhandenen/älteren Produkte platzieren. Dabei helfen Kühlschrankkörbchen.
Nicht zu viel kochen! Reste lassen sich vermeiden, indem Sie die Portionen richtig einschätzen. Wenn doch etwas übrig bleibt: Einfrieren oder kreativ weiterverwerten.
Das Bundesernährungsministerium hat Resterezepte im Rahmen der Initiative „Zu gut für die Tonne“ in einer App für Smartphone- und Tablet-Nutzer gesammelt.