Ex-Bundespräsident Gauck "ein kleiner Grapscher"? Aktivistin erhebt Vorwürfe
Berlin - Sexismus-Vorwurf gegen den ehemaligen Bundespräsidenten: Die Berliner Gesellschaftsaktivistin Zana Ramadani (34) wirft Joachim Gauck (78) Verhalten vor, das sie selbst als unangenehm empfand.
Wie der Berliner Kurier berichtet, schildert Ramadani gleich zu Beginn ihres am Mittwoch vorgestellten Buches mit dem Titel "Sexismus" einen Vorfall im Schloss Bellevue 2016, während der Amtszeit Gaucks.
Die 34-jährige Aktivistin wurde vom damaligen Bundespräsidenten zum Empfang eingeladen. Sie demonstriere oft auch mit blanken Busen für die Organisation "Femen", die oft mit provokanten, freizügigen Aktion für die Rechte von Frauen kämpfen.
Laut Ramadanis Schilderungen habe Gauck das gewusst und sie daraufhin angesprochen: "Aber Sie ziehen sich doch heute hier nicht aus?" Doch sie verneinte und entgegnete ihm mit den Worten: "Es wäre ja auch nicht so einfach, dieses Kleid auszuziehen."
Daraufhin soll der heute 78-jährige Politiker gesagt haben: "Wenn nur das das Problem ist, dann kann ich Ihnen helfen." Bei einem anschließenden Foto, gemeinsam mit Gauck, soll er ihr dann an die Hüfte gefasst haben ohne die Einwilligung Ramadanis: "Er hatte mich nicht gefragt, ob er das dürfe, und ich hatte ihn nicht dazu aufgefordert, das zu tun", schreibt die Aktivistin in ihrem Buch.
Inwiefern diese Anschuldigungen der Wahrheit entsprechen, konnte kein Außenstehender bislang bestätigen. Gauck äußerte sich zu den Vorwürfen nicht. Sein Anwalt erklärte: "Der Anwurf von Frau Ramadani entbehrt jeglicher Grundlage."
Richtigstellung, 4. März 2018
RICHTIGSTELLUNG UND HINTERGRUNDINFORMATIONEN ZU:
SEXISMUS-VORWÜRFE GEGEN EX-BUNDESPRÄSIDENT GAUCK
Nach den Tagen heftigster Anfeindungen und Beschuldigungen, die allesamt gegen meine Person und mein Wirken gerichtet waren, sehe ich mich nun gezwungen, Licht ins Dunkle der „Causa Gauck“ zu bringen.
Am gleichen Tag der Vorstellung meines zweiten Buches „SEXISMUS – Über Männer, Macht und #Frauen“ (28. Februar 2018) erschien der „Berliner Kurier“ mit dem Titel:
„JOACHIM GAUCK – Sexismus-Vorwürfe gegen ehemaligen Bundespräsidenten“.
Berliner Kurier-Redakteur Christian Gehrke hatte – wie in solchen Fällen üblich und wie es auch mit weiteren Journalisten aus den Print-, Radio- und TV-Bereich geschehen ist – mit mir ein Treffen, in diesem Fall ein Vorgespräch für eine mögliche Berichterstattung.
In diesem Gespräch befragte Gehrke mich expliziert zu meinen Schilderungen meiner Begegnungen mit Herrn Gauck. Mehrfach wurde dabei von ihm in unterschiedlicher Form die Frage gestellt, ob ich Herrn Gauck Sexismus vorwerfe, ob ich sexistisch belästigt worden sei. Mehrfach verneinte ich dies entschieden. Ich hatte das Gefühl, dass mein Gegenüber in Vertretung für den Berliner Kurier darauf aus war, unbedingt eine Sexismus-Vorwurf-Geschichte liefern zu können. Damit konnte und wollte ich nicht dienen.
Seltsam kam mir vor, dass der Berliner Kurier-Redakteur keine Notizen machte. Am Ende des Gespräches verblieben wir, dass mögliche Zitate aus einem Gedächtnisprotokoll mir zur Freigabe vorgelegt werden müssen. Diese hätten im Kern natürlich meine Erklärung zu dem Gauck-Treffen, wie sie übrigens auf Seite 10 meines Buches nachzulesen ist, beinhalten müssen.
Eine Rückmeldung gab es jedoch nicht, so ging ich davon aus, dass der Berliner Kurier nicht über das Buch berichten wird – oder sich aus dem Buch nach bestem Wissen und Gewissen, gemäß der gebotenen journalistischen Sorgfaltspflicht, bedienen wird.
Damit möchte ich feststellen:
Dem Berliner Kurier ist es gelungen, eine reißerische Geschichte in Umlauf zu bringen, indem
1. meine Einordnung der Begegnung im Buch einfach ignoriert wurde
2. meine Aussagen im persönlichen Gespräch mit dem „BerlinerKurier“-Redakteur, dass ich eben keinen Vorwurf irgendwelcher Art gegen Herrn Gauck erhoben habe oder erheben werde, einfach nicht berücksichtigt wurden.
Interessant ist auch, dass der von Herrn Gauck beauftragte Medienanwalt gegenüber der Presse zu (u.a.) folgender Bewertung kam:
„(...) Ebenso wirft sie ihm bei genauer Lektüre des Textes gerade nicht vor, sie unsittlich berührt zu haben.“
Dies ist im am selben Tag (28. Februar 2018) erschienen Artikel über mein Buch in der „Berliner Zeitung“ (auch online) nachlesbar. Interessant: Diese Passage in der Stellungnahme des Anwaltes lässt der „Berliner Kurier“ – ihnen lag diese ebenfalls vor – weg. Der Grund, ganz einfach: Diese Einschätzung des Gauck-Anwaltes hätte die falsche Schlagzeile des „Berliner Kurier“ ad absurdum geführt.
Die „Berliner Zeitung“ richtete den Interview-Focus ebenfalls zunächst auf die von mir im Buch geschilderte Gauck-Begegnung. Bemerkenswert, wie hier beim direkten Vergleich der Berichterstattungen zwischen „Berliner Kurier“ und „Berliner Zeitung“ unsaubere und saubere journalistische Arbeit deutlich werden:
„Berliner Kurier“:
„JOACHIM GAUCK – Sexismus-Vorwürfe gegen ehemaligen Bundespräsidenten“
„Berliner Zeitung“:
„Zana Ramadani über #MeToo und Gauck – „Frauen können sich wehren“
Auch die Berliner Zeitung hat mich natürlich zur „Causa Gauck“ befragt. Meine Antworten, auch wenn sie jede reißerische Zeilen-Absicht zunichte machen mussten, wurden korrekt veröffentlicht:
Frau Ramadani, Sie beginnen Ihr Buch mit einer Szene aus dem Schloss Bellevue, in dem Sie eine Begegnung mit dem damaligen Bundespräsidenten beschreiben. Sie nennen Gauck einen „Gentleman“, aber auch einen „Grabscher“. Warum machen Sie das jetzt öffentlich?
Ich hätte damals direkt aus dem Schloss twittern können, wie das manche der Netz-Feministinnen und Politikerinnen machen: Schockstarre! Sexismus! Das habe ich aber nicht gemacht. Ich bin Gauck nicht böse, er wollte mich nicht diskriminieren. Ich habe ihm mit meiner Arbeit als ehemalige Femen-Aktivistin, die ihre Brüste in der Öffentlichkeit blankzieht, ja auch eine Steilvorlage geliefert.
Man kann Ihnen vorwerfen, den früheren Bundespräsidenten zu benutzen, um Ihr Buch besser zu verkaufen.
Ich habe das Beispiel aufgeschrieben, um zu zeigen, wie man auch anders mit Begegnungen mit Männern umgehen kann. Man muss nicht jeden Ton eines alten Mannes an den Pranger stellen.
Was mit einer Falschbeschuldigung angerichtet werden kann, darüber schreibe ich natürlich ebenfalls in meinem Buch. Was aus einer Falsch-Nachricht werden kann, belegt dieser unsägliche Fall, der den Ursprung einfach nachvollziehbar in der Berichterstattung des „Berliner Kurier“ findet:
Ohne weitere Recherche, offensichtlich ohne Kenntnisse des Buchinhaltes, bedienten sich weitere Medien bundesweit, sogar in Österreich der falschen „Berliner Kurier“-Schlagzeile.
Die direkten Folgen: Ein Shitstorm gegen meine Person in den sozialen Medien. Mögliche Folgen: Durch diese unsaubere journalistische Arbeit könnte auch meine Reputation als Frauenrechtlerin und Autorin Schaden genommen haben.
Nach mehreren Gesprächen musste der „Berliner Kurier“ schließlich am Freitag, 2. März 2018, einlenken:
Die Sexismus-Vorwurf-Schlagzeile wurde online geändert: „Joachim Gauck – Aktivistin bezeichnet ihn als „kleinen Grabscher“
Dies ist zwar nicht nett, allerdings gibt es wenigstens wieder, was ich bei meiner Begegnung mit Herrn Gauck empfunden habe – und dennoch daraus keinen Sexismus-Vorwurf gemacht habe.
Ich habe bewusst nicht von „Lügenpresse“, „Fake News“ geschrieben. Ich denke allerdings, dass es nachvollziehbar ist, wenn Leser, die nicht selten auch vorschnell als „Wutbürger“ verunglimpft werden, mit der Glaubwürdigkeit mancher Medien so ihre Probleme haben. Nur ein Journalismus, der sich an seiner Sorgfaltspflicht hält, hat die Berechtigung, als Journalismus wahrgenommen und gewürdigt zu werden. Für alles andere gibt es andere Bezeichnungen. Wie wäre es mit: Kampagnen- Journalismus.
Zana Ramadani
Berlin, 4.März 2018
Titelfoto: DPA